31.3.2025
Feindselige Architektur
Wenig sagt mehr über uns aus als – die Wahl unseres Sofas. Neben den unbequemen Spontan- oder erzwungenen Billigkäufen gibt es auch die hochpreisigen Rückenbrecher, die wir uns einst freiwillig zulegten, weil sie „schön“ aussahen. Oder den arg schmalen Diwan, den wir „allein für uns“ haben wollten. Irgendwann im Leben kommt, mit Glück, dann der Heureka-Moment und die Einsicht, dass eine Couch, sagen wir: „kommunikativ“ sein darf. Gemütlich und robust genug, dass wir auf ihr gemeinsam komfortabel sitzen, uns unterhalten und ausruhen können. Nehmen wir nun die Idee dieses idealen privaten Sofas und suchen es im öffentlichen, im demokratischen Raum. Was finden wir derzeit allerorten auf mit Steuergeldern finanzierten Plätzen, in Parks und Bahnhöfen? Machen wir uns nichts vor: Teure Martermöbel aus dem urbanen Sadismus-Katalog.
Landauf, landab gibt es „Armlehnen“ und „Abstandshalter“, die verhindern, dass Liebende auf Bänken ungestört nebeneinandersitzen, Eltern ihre Kinder nah bei sich haben und dass sich Obdachlose auf Bänken ausstrecken können. Gerne werden „wellige“ und „rutschige“ Oberflächen kreiert, die kein Ausruhen erlauben. Spikes – spitze Metallzacken – auf Luftschachtgittern verhindern, dass jemand, der friert, in kalten Nächten die warme Abluft „benutzt“ oder dass dort Mädchen und Jungen spielen. Neben dem Fernhalten „unerwünschter“ Personen dient Feindselige Architektur auch der restriktiven Besitzstandwahrung, schafft somit kapitalistische Rangordnungen. Das Unerwünschtsein umfasst am Ende nicht nur einige, sondern prägt unser aller Verhalten. Gated Communities – Menschen, die hohe Mauern, samt Stacheldraht und Überwachungskamera, um eine kleine Anzahl von Luxusapartmenthäusern ziehen – sind ein Beispiel dieser vergifteten Abschottungsmentalität.
Feindselige Architektur schmückt sich städteplanerisch gern mit dem Euphemismus „Defensive Architektur“. Obwohl sie eher auf Angriff denn Verteidigung gepolt ist. Attackiert werden Gastfreundschaft und Mitmenschlichkeit, die nicht auf Profit aus sind. Typisch für solch gesellschaftliche Animosität ist, dass kostenlose Toiletten gerade aus dem Stadtbild verschwinden und dass man in die Zwei-Euro-Gebühr-WCs bald nur noch mit Kreditkarte gelangt.
Gelegentlich frage ich mich, ob der achtlose Dienst nach Vorschrift vielleicht typisch deutsch ist. Genau wie die Tatsache, dass bei uns in Restaurants auf dem Tisch nicht einfach ein Krug mit Leitungswasser steht.
Dass Feindselige Architektur wie kaum etwas sonst die Gemütsverfassung unserer eher unwirtlichen, auf Kontrolle erpichten Zeit widerspiegelt, davon bin ich – leider – überzeugt. Sichtbar und spürbar wird dies auf vielfältige Weise.
Wenn man sich etwa entschließt, Häuser zu bauen, die weder alters- noch umweltgerecht sind. Wenn man laute Musik und grelles Licht einsetzt, um die Aufenthaltsdauer in U-Bahnhöfen zu verringern. Wenn man, wie in Berlin, einen Flughafen entwirft, der zu steile Zugangsrampen zu den Fluggastbrücken hat, schließt man eben Menschen von der Nutzung aus oder macht ihnen die Teilhabe schwerer. „Fähige“ Körper werden von „unfähigen“ getrennt, „reiche“ von „armen“. Es findet eine, nun folgt ein hartes Urteil, architektonische Apartheid statt.
Feindselige Architektur ist, symbolisch gesprochen, die Eingangstür zu einer Arztpraxis, die nur Privatpatienten offensteht. Wir leben in einem Land, das, offiziell, den Idealen der Sozialen Marktwirtschaft folgt. Besinnen wir uns auf den Gemeinsinn. Lernen wir uns neu kennen. Unterschiede verführen zu Gemeinsamkeiten. Da sich viele gerade alleingelassen fühlen, würde mehr rücksichtsvolle Architektur das gesellschaftliche Klima verbessern. Blicken wir ruhig über den Tellerrand. Warum versuchen wir es nicht mit „Friendship Benches“[i]? In Zimbabwe und etlichen anderen Ländern sitzen „Großmütter“ auf Parkbänken und sprechen mit Menschen, die Hilfe brauchen oder einfach nur plauschen wollen – ohne Armlehne, versteht sich.
Feindselige Architektur
Wenig sagt mehr über uns aus als – die Wahl unseres Sofas. Neben den unbequemen Spontan- oder erzwungenen Billigkäufen gibt es auch die hochpreisigen Rückenbrecher, die wir uns einst freiwillig zulegten, weil sie „schön“ aussahen. Oder den arg schmalen Diwan, den wir „allein für uns“ haben wollten. Irgendwann im Leben kommt, mit Glück, dann der Heureka-Moment und die Einsicht, dass eine Couch, sagen wir: „kommunikativ“ sein darf. Gemütlich und robust genug, dass wir auf ihr gemeinsam komfortabel sitzen, uns unterhalten und ausruhen können. Nehmen wir nun die Idee dieses idealen privaten Sofas und suchen es im öffentlichen, im demokratischen Raum. Was finden wir derzeit allerorten auf mit Steuergeldern finanzierten Plätzen, in Parks und Bahnhöfen? Machen wir uns nichts vor: Teure Martermöbel aus dem urbanen Sadismus-Katalog.
Landauf, landab gibt es „Armlehnen“ und „Abstandshalter“, die verhindern, dass Liebende auf Bänken ungestört nebeneinandersitzen, Eltern ihre Kinder nah bei sich haben und dass sich Obdachlose auf Bänken ausstrecken können. Gerne werden „wellige“ und „rutschige“ Oberflächen kreiert, die kein Ausruhen erlauben. Spikes – spitze Metallzacken – auf Luftschachtgittern verhindern, dass jemand, der friert, in kalten Nächten die warme Abluft „benutzt“ oder dass dort Mädchen und Jungen spielen. Neben dem Fernhalten „unerwünschter“ Personen dient Feindselige Architektur auch der restriktiven Besitzstandwahrung, schafft somit kapitalistische Rangordnungen. Das Unerwünschtsein umfasst am Ende nicht nur einige, sondern prägt unser aller Verhalten. Gated Communities – Menschen, die hohe Mauern, samt Stacheldraht und Überwachungskamera, um eine kleine Anzahl von Luxusapartmenthäusern ziehen – sind ein Beispiel dieser vergifteten Abschottungsmentalität.
Feindselige Architektur schmückt sich städteplanerisch gern mit dem Euphemismus „Defensive Architektur“. Obwohl sie eher auf Angriff denn Verteidigung gepolt ist. Attackiert werden Gastfreundschaft und Mitmenschlichkeit, die nicht auf Profit aus sind. Typisch für solch gesellschaftliche Animosität ist, dass kostenlose Toiletten gerade aus dem Stadtbild verschwinden und dass man in die Zwei-Euro-Gebühr-WCs bald nur noch mit Kreditkarte gelangt.
Gelegentlich frage ich mich, ob der achtlose Dienst nach Vorschrift vielleicht typisch deutsch ist. Genau wie die Tatsache, dass bei uns in Restaurants auf dem Tisch nicht einfach ein Krug mit Leitungswasser steht.
Dass Feindselige Architektur wie kaum etwas sonst die Gemütsverfassung unserer eher unwirtlichen, auf Kontrolle erpichten Zeit widerspiegelt, davon bin ich – leider – überzeugt. Sichtbar und spürbar wird dies auf vielfältige Weise.
Wenn man sich etwa entschließt, Häuser zu bauen, die weder alters- noch umweltgerecht sind. Wenn man laute Musik und grelles Licht einsetzt, um die Aufenthaltsdauer in U-Bahnhöfen zu verringern. Wenn man, wie in Berlin, einen Flughafen entwirft, der zu steile Zugangsrampen zu den Fluggastbrücken hat, schließt man eben Menschen von der Nutzung aus oder macht ihnen die Teilhabe schwerer. „Fähige“ Körper werden von „unfähigen“ getrennt, „reiche“ von „armen“. Es findet eine, nun folgt ein hartes Urteil, architektonische Apartheid statt.
Feindselige Architektur ist, symbolisch gesprochen, die Eingangstür zu einer Arztpraxis, die nur Privatpatienten offensteht. Wir leben in einem Land, das, offiziell, den Idealen der Sozialen Marktwirtschaft folgt. Besinnen wir uns auf den Gemeinsinn. Lernen wir uns neu kennen. Unterschiede verführen zu Gemeinsamkeiten. Da sich viele gerade alleingelassen fühlen, würde mehr rücksichtsvolle Architektur das gesellschaftliche Klima verbessern. Blicken wir ruhig über den Tellerrand. Warum versuchen wir es nicht mit „Friendship Benches“[i]? In Zimbabwe und etlichen anderen Ländern sitzen „Großmütter“ auf Parkbänken und sprechen mit Menschen, die Hilfe brauchen oder einfach nur plauschen wollen – ohne Armlehne, versteht sich.

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File Size: | 4687 kb |
File Type: | mp3 |