Entzauberung
Neue Wache, Berlin, Oktober 2014
Neue Wache, Berlin, Oktober 2014
1.
über die bäume
was ließe sich über den wald
in reih und glied
wie es uns gemäß
seit jahrhunderten zugedichtet
nah an nah
was ließe sich über mich
neben der schinkelschen
allzweckwache
über meinen stechschritt
meine arbeitsdisziplin
im garten der kastanien
der gefallenen früchte
zerplatzt die hülle
mit stacheln bewehrt
darunter nicht weicher
braun poliert
was ließe sich über den wald
auf verdeih und verderb
im herzen der stadt
in mir
was ließe sich sagen
dass ich bin
weil er war
im wahn
weil wir waren
wo bin ich daheim
im garten der kastanien
in reih und glied
der gefallenen früchte
höchstens in der sprache
der geliebten
2.
hätte er die wahl gehabt
eine basisdemokratische geburt
eine umfrage vor der zeugung
repräsentativ nur in dem sinne
dass nur er gefragt worden wäre
vielleicht mit prousts questionaire
reingeschmuggelt die kernfrage
welche nationalität er bevorzugte
ob es ihm genehm wäre hier
oder dort mit jenen oder diesen
eltern diesen oder jenen lauten
hätte er die wahl gehabt
3.
du bist mir um einiges voraus
eine stunde einen monat ein jahr
ein leben auch das bist du mir voraus
doch du bist ich genau wie ich
gefangen in dir in deiner zeit
die später anfing aber ebenso endete
wie alle anderen zeiten vorher
ich wünschte mir bei dir zu sein
jung wie du denn darum geht es
nicht um das altsein das von alleine
kam und niemals wieder ging
es holte uns ein mit raschen schritten
wenn wir es nicht erwartet hatten
es klopfte nicht an trat ungeladen ein
du bist du warst mir um einiges voraus
ich bin trotzdem bei dir
wenn auch nicht mehr bei mir
die unbehausung der gedanken
verbeugte sich vorm körper
haftete sich an deine lippen
deinen schlanken schnellen leib
fast food eiltemporierend ausgeschieden
beim zeitenlauf dem lebensmarathon
mit dir will ich sein im harten bett
deine lust soll mich trinken leer
deine gier soll küssen meinen mund
immerdar nienienie vergangen
vorbei ich bin in dir du in mir
wir lagen beienander in unserer
unverschämten scheuen gier
zu atmen noch ein stück zu gehn
durch die welt durch die zeit
nur nur mit dir
4.
der ruf nach mehr
mehr einmischung
der ruf nach mehr
mehr profil
als wäre ein land
ein gesicht
kein leben wird
mit geld aufgewogen
sie hielten ihre kinder
auf dem arm
küssten kleine wangen
strichen durchs haar
so zärtlich und sanft
der ruf nach mehr
mehr einmischung
füttert das vergessen
macht es satt und faul
es schnarcht und stinkt
will nichts
will nichts
mehr wissen
drehen sie sich
in jene in diese
richtung jetzt
sofort auf der stelle
die liebe im nacken
enthäutet das herz
von unseren küssen
nach westen
ruft
nach süden
gemischte
nach norden
gefühle
nach osten
hervor
der ruf nach mehr
mehr einmischung
nehmen sie geld
in die öffentliche hand
die eine private ist
unser finger am abzug
auf der ganzen welt
drehen sie am rad
der geschichte
als wäre nichts
nichts
geschehen
5.
erst beim nichtsagen
den hass zu fragen
der cosy tobte in ihm
sie ihn lobte auf ihr
dachte nichts kein höhnen
küssten sich beim stöhnen
im engen
im weiten wald
eingefasste blutgetränkte
durstig er sich an sie hängte
in ihrer seltsamkeit
umarmte sie sein leid
gab ihm die brust
gab ihm die lust
im engen
im weiten leben
er verfiel vordergründig
zeigte sich nackt un
mündig der schenk der stunde
die geliebte war in seinem munde
er kam er ging
wie sie ihn umfing