Sagen 2022
Jahresprojekt // Annual project
From the 94th entry, the sayings are also in English.
Jahresprojekt // Annual project
From the 94th entry, the sayings are also in English.
1.
Jeder Magen gleicht der Liebe; er führt ein Eigenleben.
Was gesägt werden kann, muss nicht gebrochen werden.
2.
Hände begreifen, im Alter, selbst wenn der Verstand des Jungseins entgleitet.
Eine Frage der Perspektive: T/Reue.
3.
Die Lust wohnt, mit Glück, auf immerdar im Lustigsein.
Freu(n)de.
4.
Die Tage waren Karawanen, die ein gemeinsames Ziel hatten, von verschiedenen Richtungen kamen, siegesgewiss den Nächten die helle Schulter zeigten, um sich, am Ende, dem blindwütigen Furor der letzten Dämmerung zu beugen.
Meine Güte war angelernt; was man ihr anmerkte, nicht nur in den Auszeiten.
5.
Wer sich darauf beruft, dass das Leben ein Scheiterhaufen sei, liegt zwar im Allgemeinen richtig, hat allerdings im Besonderen nichts davon.
Lust ist ein vorübergehender Zustand, Frust zeigt mehr Beharrungsvermögen.
6.
Sport ist ein Ort mit eigenen Regeln, eigenen Regelverstößen und eigenen Sanktionen; ihn als Pars pro toto einer allgemeingültigen Moral anzusehen, führt in die Irre, gerade im Kapitalismus.
Küssen sei das schönste Schweigen.
7.
Wer steif und fest glaubt, richtet sich in einer Kammer ein, deren Gemütlichkeit potemkinsch ist.
Für die Möwen zählt die See; das Land, es ist nicht mehr als ein Unterpfand.
8.
Der Vorwärtsgang ist nichts, ohne den Rückwärtsgang.
Vergisst die Mitte ihre Seiten, franst sie aus.
9.
Kritik sei das Futter des Verstands.
Wer nicht an die Liebe glaubt, ist kein braver Rationalist, sondern ein bemitleidenswerter Dummkopf.
10.
Wer keine Furcht kennt, kennt sich nicht selbst.
Was wir für Größe halten, ist woanders nicht mal unterer Durchschnitt.
11.
Mir ist der Tod nicht geheuer, mit dem Sterben dagegen kann ich leben.
Glück, das nicht vergeht, ist nicht gekommen.
12.
Der nächste Verwandte des Anfangs ist das Ende.
Mit dem possesiven Zählen zu beginnen, hat selten geholfen, aber oft geschadet.
13.
Ohne Träume gebe es wenig mehr als Knechtschaft.
Wut ist keine übermäßig begabte Ratgeberin.
14.
Im Sturm fühlt sich die Ruhe, was überraschen mag, ganz besonders in ihrem Element, hat gar das Gefühl, sich selbst am nächsten zu sein.
Der Aberwitz ist ein perfider Komiker.
15.
Wir alle spielen mit gezinkten Karten - ob wir sie selbst gezinkt haben, ist dabei eine andere Frage.
Um gut zu sein, reicht es nicht, Kriminelle auszustechen.
16.
Die Schärfe eines Urteils hat per se zunächst nichts, rein gar nichts mit seiner Begründung zu tun.
Rechtschaffenheit steht in seiner begrifflichen Konsistenz nicht zu selten zwischen Sülze und Wackelpudding.
17.
Der Erinnerung genehm sei als Gast das Gute, was aber eher nicht verweilt, sondern fast sofort wieder seine Sachen packt, um auf NImmerwiedersehen zu verschwinden; anders sieht es mit dem Schlechten aus, welches sich in der Erinnerung häuslich einrichtet, grob auf jedwede Gastfreundschaft pfeift.
Glück besitzt die Fähigkeit, Unangenehmes zu vergessen.
18.
Nach dem Sinn des Daseins zu fragen, macht, schlussendlich, keinen; es sei denn, ich akzeptiere die Unbeantwortbarkeit als Ultima Ratio der Sinnhaftigkeit.
Wer dich nicht liebt, den solltest du besser nicht auf Dauer im Herzen tragen, um es nicht unnötig zu beschweren.
19.
Erregung und Aufregung verstehen sich erstaunlich gut, aus der Distanz.
Urlauber verstehen Reisende noch weniger als vice versa.
20.
Güte beeindruckt Bösartigkeit genau sowenig wie Armut Reichtum.
Gewalt zu säen, ist ungleich einfacher, als Frieden zu ernten.
21.
Erst in der Krise, die uns wirklich angeht, wird sich zeigen, was unsere in die Welt hinausposaunte Liberalität verbindlich wert ist.
Wahre Stärke hausiert nicht nur mit der Idee der Kritikfähigkeit, sondern akzeptiert sie als Leitgedanken für sich selbst.
22.
Der Teufel, er steckt nicht im Detail, er steckt in der Generalisierung.
In jeder Theorie, die zur Orthodoxie wird, wohnt die Lüge.
23.
Die Vorteile des Diebstahls sind überschaubar, die Folgen nicht.
Originalität misst sich nicht an sich selbst.
24.
Widerspruch ist das größte intellektuelle Kompliment.
Zustimmung begeistert für den Augenblick und nervt auf Dauer.
25.
Befehle zu geben, nimmt die Freundschaft weg.
Einsam getroffene Entscheidungen verbinden mich mit meinem Unwissen.
26.
Jedem Unterschied liegt ein Urteil zugrunde, das, in aller Regel, älter ist als die Sache an sich; neue Unterschiede erfordern drakonische Urteile, um sich durchzusetzen.
Was lebt, bewegt sich - entweder innen oder außen.
27.
Wer sich in Abenteuer stürzt, kommt selten billig weg.
Ist das Riskante interessant, gewinnt es an Strahlkraft.
28.
Prinzipien sind prinzipiell gut, wenn wir sie nicht als in Stein gemeißelt verstehen.
Flexibilität ist die Erzfeindin jeder Orthodoxie.
29.
Gefangene erkennt man nur in Ausnahmefällen an der Kleidung.
Freiheit sei mehr als eine Entscheidung.
30.
Wenig ist schwieriger zu heilen als Arroganz.
Bei den Welterklärungen hapert es, im Kern, schlussendlich an einer einzigen Sache: an der Erklärung.
31.
Das Unerreichbare zieht am meisten an.
Was sich anbietet, wird unterschätzt.
32.
Was gut ist, entscheidet sich in der Konsequenz.
Wer Tragik sucht, wird sie leicht finden; mit den Lustspielen ist es eine andere Sache.
33.
Anstand kennt weder Stechuhr noch Zeitfenster.
Sprache, die sich nicht verändert, vergeht.
34.
Verliebt sich die Müdigkeit in die Schlaflosigkeit, gibt es zwei Möglichkeiten, die beide auf ein und dasselbe hinauslaufen.
Leere sei grundsätzlich eine Konstruktion.
Das Grundsätzliche sei gleichfalls a priori eine Konstruktion.
35.
Das Nicht-Vorhandene sei sowohl denkbar als auch undenkbar.
Das Vorhandene sei denkbar.
36.
Geschenke machen keine Freunde, aber bestärken Freundschaften.
Abhängigkeit ist das eigentliche Gegenteil von Glück.
37.
Die Garantiezeit für Erwartungen hält sich in Grenzen.
Vernünftig zu sein, sei der Versuch, sich selbst gleichzeitig zu fangen und freizulassen.
38.
Religion macht müde.
Jede Buchstäblichkeit beißt sich sowohl an der Poesie als auch der Philosophie die Zähne aus.
39.
Gründlichkeit beherrscht letztendlich nichts und niemanden, nicht mal sich selbst.
Frohsinn kennt Dellen.
40.
Was uns interessiert, sei zeitgebunden; lebenslanges Interesse stellt ein höchst seltenes Glück dar - mit Ausnahme des ungefilterten, unaufhörlichen Interesses an uns selbst, was Ursache mannigfachen Unglücks ist.
Passion hängt am Höhepunkt, ist er vorbei, reißt das Seil abrupt.
41.
Nuss und Genuss sind sich, überraschenderweise, ähnlich: Beide sind von harten Schalen umgeben, die es zu knacken gilt, um an den Kern zu kommen.
Wehmut sei ein maßgeblicher Teil des Übermuts.
42.
Probleme kennen weder Anfang noch Ende.
Lösungen ähneln Geistern; einige von uns glauben an sie.
43.
Sanftmut sei eines der schönsten denkbaren Wörter.
Begriffe, die uns entgleiten, leiden an Unhaltbarkeit.
44.
Vergleiche hinken nicht nur, meistens können sie gar nicht erst laufen.
Einordnung sei keine Ordnung, sondern eine Order.
45.
Kein Tag gleicht dem nächsten; mit Nächten sieht es anders aus.
Komplimente müffeln in aller Regel bereits, bevor sie überhaupt unsere Nase erreichen.
46.
Wer oftmals Nachrichten überbbringt, hält sich irgendwann selbst für berichtensswert.
Weder ersetzt das Schreiben das Leben noch das Leben das Schreiben.
47.
Das Ebenmäßige sei das Lebensmäßige.
Das Ebenmäßige sei das Unlebensmäßige.
48.
Dem Glück stehen wir, zumeist, selbst im Wege.
Das Unglück sei, in aller Regel, deutlich geduldiger als das Glück.
49.
Anmerkungen geben sich harmlos, sind allerdings, im Kern, harscher als Noten, da sie aus dem Versteck heraus urteilen.
Die Erweiterung des Singulars sei selten der Plural.
50.
Gelegenheiten beim Schopfe zu packen, heißt nicht, sie auszureißen.
Chancen stellen Einladungen dar, die wir ausschlagen dürfen.
51.
Absurditäten wachsen niemals im Niemandsland.
Was falsch ist, ist grundsätzlich falsch; das lässt sich nicht vom Richtigen sagen.
52.
Vergeblichkeit sei der selbstgenügsamste aller Zustände.
Wachsamkeit schläft schlecht.
53.
Am Ende eint und trennt uns die Sterblichkeit.
Ein schlichtes Gemüt sucht nicht unbedingt Streit, aber wird von ihm regelmäßig gefunden.
54.
Gewalt und Krieg bestimmen den Wesenskern jeder Diktatur.
Frieden sei ein vorübergehender Zustand.
55.
Wer Gewaltherrscher umarmt, wird über kurz oder lang erdrückt.
Feige Demokratien vergehen.
56.
Wehrhaftigkeit sei eine Axiom-Tugend, die im Nachhinein wenig taugt.
Aggressoren kennen viele Worte, aber nur eine Sprache - die des Widerstands.
57.
Wer präzise kalkuliert, ob eine erbetene Hilfsleistung ihr oder ihm selbst schadet, findet stets Gründe, nicht zu helfen; ob diese Gründe gut sind, ist eine andere Frage.
Zuzusehen, während andere bombardiert und beschossen werden, macht uns zu Voyeurïnnen des Todes.
58.
Taten sind Worte, die sich materalisieren.
Erklären wir die Atempause der Moral mit Luftknappheit, zeigen jedoch selbst keinerlei Anzeichen von Atemnot, enlarven wir uns als sittliche Luftikusse.
59.
Freiheit sei eine alte Batterie, die täglich neu aufgeladen werden muss.
Scham ändert ad hoc nichts, rein gar nichts.
60.
Drohungen, richtig beantwortet, wenden sich gegen diejenigen, die uns einschüchtern wollen.
Siege sind vorübergehende Zustände.
61.
Ununterbrochen zu lügen, sei das Bindemittel jeder Diktatur.
Wahrheit ist überall ein schwieriger Begriff, in Gewaltherrschaften allerdings der schwierigste.
62.
Wer liebt, hat mehr vom Leben.
Hass sei die größtmögliche Müdigkeit des Wesens.
63.
Anteilnahme, die nicht oder nur sporadisch teilnimmt, verdient den Namen Abteilnahme.
In jedem guten Menschen schlummert das Böse, was sich vice versa nicht sagen lässt.
64.
Das Böse fühlt sich oftmals im Recht, im Recht des Stärkeren.
Abschreckung, die wirkt, ist kein Kinderspiel.
65.
Eine Wanderung, ohne Ziel, das sei das Leben; im besten Fall.
Wer ohne Rücksicht auf Verluste ankommen will, darf sich nicht wundern, wenn die Moral am Wegesrand zurückbleibt.
66.
Die Wahrheit hat das Problem, dass sie oftmals unglaublicher erscheint als die Lüge.
Kommt die Wahrheit allerdings ans Licht, sind die Schatten, die auf ihr lagen, für alle Zeiten weggewischt.
67.
Zu vergeben, heißt nicht, zu vergessen, sondern aufzuarbeiten und zu verarbeiten.
Zu gedenken sei ein aktiver Vorgang, ein Prozess des Tuns, des Fragens und Hinterfragens, ein Prozess des Handelns und Behandelns, der Güte und Vergütung.
68.
Gößenwahn folgt nicht der Größe, sondern dem Wahn.
Wahre Schönheit vergeht nicht; verginge sie, handelte es sich bei ihr um eine Chimäre.
69.
Wenige Dinge lassen sich auf Dauer erzwingen; Liebe gehört jedenfalls ganz und gar nicht dazu.
Respekt, der auf Waffen basiert, die auf uns gerichtet sind, ist in Wahrheit - egal, was gesagt wird - nichts als Angst und Abscheu.
70.
Ehrlichkeit hält sich in Krisenzeiten in Grenzen; ist sie grenzenlos, wird sie als Irrlicht oder Störfeuer wahrgenommen.
Diplomatie belügt sich, im schlechtesten Fall, am Ende selbst.
71.
Jede Verneinung enthält die Bejahung eines Grundsatzes, Urteils oder Gewährenlassens, einer Festlegung, Umsetzung oder Veränderung.
Hilfe, die von außen kommt, aber nicht die Möglichkeit der Selbsthilfe eröffnet, bleibt, auf Dauer, symbolisch.
72.
Wer sich bindet, darf sich nicht wundern, dass Knoten Teil des Schicksals sind.
Wahre Partnerschaften beweisen sich im Sturm.
73.
Wenig sei unfassbarer als das Fassbare, das nicht ergriffen wird.
Die Ohnmacht vieler stellt sich, vereint, als eigentliche Macht heraus.
74.
Die Erkenntnis, nicht gewinnen zu können, kann zweierlei Folgen haben: Rückzug oder Umzug: Beim Rückzug werden die Kampfhandlungen eingestellt, beim Umzug neue Schlachtfelder gesucht.
Kriege werden, grundsätzlich, unter gar keinen Umständen vollständig gewonnen, sie werden höchstens nicht nicht verloren.
75.
Auf jedem Kanonenboot wohnt der Tod, nicht die Diplomatie.
Wer bei einem Krieg Huckepack fährt, um, daneben oder weiter weg, eigene Gebietsansprüche anzumelden, belastet nicht nur den Frieden, sondern ist ein Kriegstreiber.
76.
Naivität sei keine moralische Kategorie, sondern ein Status quo des Wie-auch-immer.
Zu kalkulieren, heißt, abzuwägen; ob strategische oder moralische Kategorien angelegt werden, sei per se die bestimmende Grundsatzentscheidung jeder Berechnung. Dass die Art der Kalkulation, die wir benutzen, darüber bestimmt, welche Rechnungen wir später selbst zu begleichen haben, ist vielen entweder nicht bewusst oder egal - oder das Risiko wert.
77.
Falsche Freunde sind kaum weniger gefährlich als echte Feinde.
Krieg sei ein vorübergehender Zustand, der den Frieden nicht nur um seine Popularität beneidet, sondern ihn auch für erheblich schwächer hält, als er ist.
78.
Achtung sei die anfängliche Liebe der Anderen.
Sowohl die manische Überhöhung des Eigenen als auch die manische Herabstufung des Anderen zeichnet Schwächlinge aus.
79.
Wut überhebt sich, früher oder später, an sich selbst.
Tiefe Dankbarkeit verursacht Bindungen, die über den flachen Tag hinausgehen.
80.
Wer gerne, ohne Einschränkungen, mit sich selbst befreundet wäre, ist nicht zu beneiden.
Die eigenen Lügen sind anfangs durchsichtig, später vernebeln sie den Verstand.
81.
Das Misstrauen, das viele von uns in Andere haben, die sie gar nicht kennen, stammt aus uns selbst.
Ab und an auf die Seite des Schlechten zu driften, erfordert weniger Mühe, als sich dauerhaft auf der des Guten zu bewähren.
82.
Kontrolle funktioniert allerhöchstens zeitgebunden; die Nicht-Kontrolle sei als Zustand ursprünglicher.
Macht verliert, sowohl in Diktaturen als auch Demokratien, sowohl in Firmen als auch Familien, irgendwann die Kontrolle über eine soziale Struktur, einen gesellschaftlichen Raum - wohlgemerkt: ohne die Chance des Zurück-Gewinnens; das Irgendwann ist dabei eine Frage der widerständigen Gegenmacht, die sich gemeinsam aus der Ohnmacht befreit.
83.
Feindschaften sitzen in vielen von uns sogar noch tiefer als Freundschaften.
Die Wahrheit kennt weder Anfang noch Ende, mit den Lügen sieht es anders aus.
84.
Jeder maßgeblichen Festlegung geht eine maßgebliche Lockerung voraus.
Flexibilität lohnt sich, besonders wenn die Welt um uns herum an Nackenstarre leidet.
85.
Ungeduld beschleunigt allerhöchstens die Unzufriedenheit.
Beim Warten zeigt sich, nach einer Weile, der wahre Charakter.
86.
Dass alles verbunden ist, heißt nicht, dass das Einzele nicht zählt, eher im Gegenteil.
Das Partielle prägt das Generelle.
87.
Jede Ausrede hat eine andere Schwäche.
Entschuldigungen merkt man an, wie viel sie vom Brunnen der Wahrheit getrunken haben.
88.
Jeder Verlust öffnet Raum.
Sobald die Wege nicht mehr der Natur folgen, ihr Respekt zollen, beginnt die Zerstörung, die Entfremdung vom Gegebenen.
89.
Ohne Opposition verkümmert selbst die wohlmeinendste Demokratie und wendet sich von uns ab.
Jedem Prozess sei ausnahmslos die Unvollständigkeit eigen; Perfektion existiert nur als Illusion.
90.
Jede Möglichkeit enthält sowohl mindestens eine Lüge als auch eine Wahrheit, zumindest wenn wir sie eine Kleinigkeit überdehnen.
Atemlosigkeit sei, neben der Sorge um die Existenz, der Zustand, der dem Kapitalismus am vertrautesten ist.
91.
Höflichkeit ist nichts, rein gar nichts ohne Güte.
Wahre Vortrefflichkeit reiht sich, bei Bedarf, ein.
92.
Die einzige unumkehrbare Veränderung sei der Tod.
Drehungen bieten unendliche Möglichkeiten, Abbiegungen endliche.
93.
Ideologie ist Wissen auf Diät.
Ein Roman ist ein Buch, das man behalten will.
94.
Versuche folgen, im Idealfall, keiner Überzeugung.
Laster seien die Würze des Lebens; sind sie das Leben, nehmen sie sich es und verändern es bis zur Unkenntlichkeit.
A search follows, ideally, no conviction.
Guilty pleasures are the spice of life; if they are life, they take it and change it beyond recognition.
95.
Wer zu viel will, bekommt ausnahmslos zu wenig.
Macht definiert sich unablässig neu.
Those who want too much invariably get too little.
Power is constantly redefining itself.
96.
Wer an Abkürzungen glaubt, glaubt auch an Wunder.
Die Welt zu erklären, gelingt nur auf dem Rummelplatz der Illusionen.
Those who believe in shortcuts also believe in miracles.
Explaining the world only succeeds in the fairground of illusions.
97.
Lügen funktionieren nur solange, wie die Belogenen es erlauben.
Die Wahrheit zu kennen, genügt nicht, man muss auch mit ihr so gut befreundet sein, dass man sich ihr verpflichtet fühlt.
Lies work only as long as those who are lied to allow them.
Knowing the truth is not enough; you also have to be such good friends with it that you feel committed to it.
98.
Heiterkeit hält den Tod in Schach.
Sprache und Mathematik sind sowohl durch Unendlichkeit als auch Schönheit vereint.
Gaiety keeps death at bay.
Language and mathematics are united by both infinity and beauty.
99.
Freundschaften, die keine Fehler mehr korrigieren, verwandeln sich, über kurz oder lang, in Bekanntschaften.
Uniformen erleichtern das Töten.
Friendships that no longer correct mistakes turn, sooner or later, into acquaintanceships.
Uniforms make killing easier.
100.
Schweigen hat, auf Dauer, ein Problem: Es genügt sich nicht selbst.
Wer denkt, hält, zunächst, den Mund.
Silence, in the long run, has a problem: It is not satisfied with itself.
Those who think keep their mouths shut, at first.
101.
Uneigennützige Angebote existieren weder im Kapitalismus noch im Sozialismus, Hilfe wird stets mit kleinen oder großen Widerhaken geliefert.
Forderungen haben ein langes Gedächtnis.
Unselfish offers exist neither in capitalism nor in socialism; help is always garnished with small or large barbs.
Demands have a long memory.
102.
Geschichten, die sich nicht selbständig machen, werden zu Anekdoten.
Flüchtigkeitsfehler entpuppen sich, nicht zu selten, als unsere uralten Schatten.
Stories that do not take on a life of their own become anecdotes.
Slips of the tongue turn out, not too seldom, to be our age-old shadows.
103.
Wer liebt, ist sich nicht automatisch selbst treu.
Jede Kehrtwendung schmerzt, auch die begehrteste.
Those who love are not automatically true to themselves.
Every u-turn hurts, even the most sought-after one.
104.
Wer angreift, begreift niemals vollständig, worauf er sich einlässt, da der Wille zur Verteidigung unberechenbar ist.
Ungerechtigkeit ist ein Grundpfeiler jeder Diktatur; wer Gerichtigkeit will, muss die Gewaltherrschaft beseitigen.
Those who attack never fully understand what they are getting into, because the will to defend is unpredictable.
Injustice is a fundamental pillar of every dictatorship; those who want justice must eliminate violent rule.
105.
Krieg hat die Eigenschaft, sich zu verselbständigen; eine Autonomie, die auf Kosten aller geht, auch der Angreifer.
Frieden, der Bestand hat, legt die Kriegstreiber an die Kette.
War has the characteristic of taking on a life of its own; an autonomy that comes at the expense of everyone, including the aggressor.
Peace that endures puts the war-mongers in chains.
106.
Der einzig wahre Waffenstillstand sei die komplette Abrüstung.
Die Selbstzerstörungskräfte der Menschheit lassen Vernunft und Achtung vor der Natur immer weiter zurück; wir stehen so nahe am Abgrund, dass wir nichts als ihn sehen sollten.
The only true ceasefire would be complete disarmament.
The self-destructive forces of mankind are leaving reason and respect for nature further and further behind; we are so close to the abyss that we should see nothing but it.
107.
Zu lügen, heißt, dass man die Wahrheit nur zu gut kennt.
Furcht und Achtung trennen Welten.
To lie is to know the truth all too well.
Fear and respect are worlds apart.
108.
Wer sich anbiedert, verliert sich selbst.
Ehrlichkeit sei die radikalste Tugend.
Those who chum up lose themselves.
Honesty is the most radical virtue.
109.
Je kürzer wir noch zu leben haben,
desto länger sind die Pausen,
die wir einlegen.
Am Ende wird jedes Sein zum Scherenschnitt.
The shorter we still have to live,
the longer the breaks are
that we take.
In the end, every life becomes a silhouette.
110.
Vergebung, so seltsam es auch klingt, gewähren die meisten von uns nur sich selbst; anderen vergeben wir nicht, wir nehmen Rache.
Verantwortungslosigkeit ist, oft genug, die Begleiterscheinung des Klassensystems.
Forgiveness, as strange as it sounds, most of us grant only to ourselves; we do not forgive others, we take revenge.
Irresponsibility is, often enough, the concomitant of the class system.
111.
Was ich mir anziehe, sei es zu groß oder zu klein, passt mir irgendwann - jedenfalls in meiner Vorstellung.
Verkleidung, die wir selbst maßschneidern, sowohl die des Gefühls als auch die des Verstands, mag andere täuschen, aber nie und nimmer uns selbst.
What I put on, whether it is too big or too small, fits me at some point - at least in my imagination.
Costumes that we tailor ourselves, both those of the feeling and those of the mind, may deceive others, but never, ever ourselves.
112.
Glück, das sich ausschließlich als Einzahl definiert, rennt mit Anlauf ins eigene Unglück.
Die Schwierigkeiten des Miteinander-Seins sind mindestens genauso fruchtbar wie die Schwierigkeiten des Mit-sich-Seins.
Happiness, which defines itself exclusively as singular, races with a head start - while gaining momentum - into unhappiness.
The difficulties of being with each other are at least as fruitful as the difficulties of being with oneself.
113.
Wenn die Erde bebt, mit Wucht, wie letzte Nacht für uns, in Dalmatien, senden die seismographischen Morsezeichen die eigentliche Nachricht des Lebens: unerbitterliche Zerbrechlichkeit.
Die Natur begrenzt, schlussendlich, jede Fluchtmöglichkeit.
When the earth shakes, with force, like last night for us, in Dalmatia, the seismographic morse signals send the actual message of life: remorseless fragility.
Nature limits, at the end, any possibility of escape.
114.
Nur zu klagen, sei dem Liebesglück abhold.
In jedem Lob steckt eine mehr oder minder gehörige Portion Kritik.
To complain only is to be averse to the happiness of love.
In every praise resides a more or less substantial portion of criticism.
115.
Jedes Klischee enthält eine einzige Antwort, die falsche.
Liegt der Wille konträr mit den Fähigkeiten, neigt das Leben dazu, verpfuscht zu sein.
Each cliché contains a single answer, the wrong one.
If the will is contrary to the abilities, life tends to be messed up.
116.
Selbstmitleid sei, in den allermeisten Fällen, disproportional zum Lauf der Welt.
Welche Fähigkeiten wir, als Einzelwesen und Gesellschaften, tatsächlich besitzen, beweist sich sowohl in der Krise als auch im Glück.
Self-pity is, in most cases, disproportionate to the course of the world.
What abilities we, as individuals and societies, actually possess, are proved in crisis as well as in happiness.
117.
Nationalismus, gepaart mit Geldgier, Religiösität und Männlichkeitswahn, ist der Kriegscocktail schlechthin.
Frieden fängt in den Hirnen der Soldaten an, die sich der Gewaltherrschaft widersetzen.
Nationalism, coupled with avarice, religiosity and machoism, is the war cocktail par excellence.
Peace begins in the brains of soldiers who resist the reign of violence.
118.
Das Nicht-Wollen ist der Teil des Willens, der sich effizienter der Nachhaltigkeit zuwenden kann als das Wollen, dessen Verzicht sich oft genug nur als ein neuer Wunsch herausstellt.
Wer wirklich umlenkt, kann das nicht alleine machen.
The not-desire is the part of the will that can turn to sustainability more efficiently than the desire, whose renunciation often enough turns out to be only a new wish.
Those who really change course cannot do it alone.
119.
Abneigung startet, nicht zu selten, als Zuneigung; vice versa kommt auch vor, jedoch seltener.
Wenn uns die Liebe erwischt, gibt es kein Entkommen.
Aversion starts, not too seldom, as affection; vice versa also happens, but less frequently.
When love catches us, there is no escape.
120.
Wer viele Wünsche hat, züchtet viele Illusionen.
Einfachheit entsteht nicht, wenn wir das Komplexe reduzieren, sondern ihm auf den Grund gehen.
Those who have many desires breed many illusions.
Simplicity does not arise when we reduce the complex, but get to the bottom of it.
121.
Familie ist kein Bestimmungsort.
Beziehungen, die den Namen verdienen, entwickeln sich, bleiben flüssig; sind sie erstarrt, handelt es sich um Ankerplätze.
Family is not a destination.
Relationships worthy of the name develop, remain fluid; if they are congealed, they are anchorages.
122.
Verlangen schätzt sich, nach kurzer Zeit und aus guten Gründen, höchst selten selbst.
Die Sehnsucht sei die formvollendete Art des Begehrens, wenn auch recht häufig die traurigste.
Desire, after a short time and for good reasons, hardly ever appreciates itself.
Sehnsucht is the most perfect kind of yearning, even if it is often the saddest.
123.
Was wir Zufall nennen, ist der Lauf der Dinge.
Die Übersinnlichkeit sei stets Teil des Sinnlichen.
What we call coincidence is the course of events.
The supernatural is always part of nature.
124.
Geistig erschöpft zu sein, wirkt sich alsbald auf den Körper aus; was vice versa auch passiert, aber weniger vehement.
Erholung braucht Zeit, keine Stoppuhr.
Being mentally exhausted soon affects the body; which also happens vice versa, but less vehemently.
Recovery needs time, not a stopwatch.
125.
Weder ist die Natur ein Garten noch will sie einer sein.
Wer Zäune zieht, wird Konflikte ernten.
Nature is not a garden nor does it want to be one.
Those who build fences build up conflicts.
126.
Infrage gestellt zu werden und selbst zu fragen, seien die einzige möglichen Formen der dauerhaften und sinnvollen Partnerschaft.
Im Widerspruch lebt die Fortentwicklung.
Questioning and being questioned are the only possible forms of lasting and meaningful partnership.
In contestation lives the chance of further development.
127.
Wer sich selbst verachtet, kommt, in den meisten Fällen, der Wahrheit einen großen Schritt näher.
Selbstliebe hat einen Vorteil - man zahlt an sich selbst Alimente.
Those who despise themselves, in most cases, come a big step closer to the truth.
Self-love has one advantage - you pay alimony to yourself.
128.
Den Umständen die Schuld zu geben, wird erheblich lieber gemacht, als sie zu verändern.
Der Mensch verfügt über erstaunliche Fähigkeiten der Anpassung, zu den erstaunlichsten gehören Verrat und Mutlosigkeit.
Blaming the circumstances is considerably preferred to changing them.
Man has amazing abilities of adaptation, among the most amazing are betrayal and lack of courage.
129.
Siegesparaden, gerade in Gewaltherrschaften, werden irgendwann allesamt zu Scharaden, die so gut wie nichts mehr mit den ursprünglichen Schlachten gemein haben.
Der Mensch sei so dumm, wie er sich selbst für dumm verkauft.
Victory parades, especially in despotic regimes, eventually all become charades that have almost nothing in common with the original battles.
People are as stupid as they tell themselves they are.
130.
Nichts ist einfacher, als getäuscht zu werden - man muss nur ad hoc dem eigenen Instinkt vertrauen.
Der wahre Lackmustest jeder Wehrhaftigkeit beweist sich in der Widerstandskraft, die man den eigenen Wünschen gegenüber zeigt.
Nothing is easier than being deceived - you just have to trust ad hoc your own instincts.
The true litmus test of any power of resistance proves itself in the resilience one shows towards one's own desires.
131.
Neid hat manche Karriere befeuert - und Freundschaften verpuffen lassen.
Leichter Gewinn kreiert schwere Verluste.
Envy has sparked many careers - and caused friendships to burn out.
Easy gains create heavy losses.
132.
Jede Bösartigkeit lässt sich schönreden, wenige gute Taten lassen sich miesmachen.
Wer viel redet, frönt dem Schwachsinn schneller, als diejenigen, die viel schweigen.
Every nastiness can be talked up, few good deeds can be talked down.
Those who talk a lot indulge in crap faster than those who are mostly silent.
133.
Falsche Pflichten erfordern wahren Widerstand.
Wer sich gehen lässt, verliert mehr als die Orientierung.
False duties require true resistance.
Those who drift away lose more than their bearings.
134.
Urteile, die buchstabengetreu das Maximum an Strafe ausreizen, mögen gut und richtig sein, in einigen Fällen auch unabwendbar, Widerwillen ob ihres rigiden Auftrumpfens, wecken sie dennoch.
Jedes vernünftige Gericht hat ein Problem mit sich selbst.
Legal judgements that exhaust the maximum of punishment to the letter may be good and right, in some cases even unavoidable, but they still arouse disgust because of their rigidity.
Every reasonable court has a problem with itself.
135.
Durst sei ein schönes Gefühl, während des Löschens.
Nichts gehe über die Sehnsucht, besonders die unerfüllte.
Thirst is a nice feeling, while quenching.
Nothing surpasses longing, especially the unfulfilled.
136.
Zu altern, ohne zu zetern, heißt, die Träume der Jugend zu verlängern.
Das Zusammenspiel, um nicht zu sagen: die Abhängigkeit zwischen dem Körper und den Gedanken wird sowohl unter- als auch überschätzt - und zwar überall und von uns allen.
To age without clamoring is to prolong the dreams of youth.
The interaction, if not to say dependence, between the body and the mind is both under- and over-estimated everywhere, by all of us.
137.
Die Blindheit der Liebe sollte, solange es möglich ist, auf Sehhilfen verzichten.
Gefühle zu korrigieren, gelingt nicht von außen.
The blindness of love should do without visual aids as long as it is possible.
Correcting feelings does not succeed from the outside.
138.
Geheimnisse sind Schiffe, die, irgendwann, in Schieflage geraten und auf Grund laufen.
Revolutionen zu verschlafen, sei eher die Regel denn die Ausnahme.
Secrets are ships that, at some point, go awry and run aground.
Sleeping through revolutions is the rule rather than the exception.
139.
Vollmachten stellen sich, in Krisenzeiten, regelmäßig als Schlüssel zu Schattenreichen heraus.
Wer irrationale Befehle gibt, muss damit rechnen, auf rationalen Widerstand zu stoßen.
Powers of attorney regularly turn out, in times of crisis, to be the key to shadow empires.
Those who give irrational orders must expect to meet rational resistance.
140.
In jedem Urteil steckt die Zeit, in der es gefällt wird.
Die angebliche Zeitlosigkeit von Vorurteilen sei eine autochthone Konstruktion.
Every judgment contains the time in which it is made.
The alleged timelessness of prejudices is an autochthonous construction.
141.
Toleranz ist, nicht zu selten, ein Tanz mit den eigenen Teufeln.
Wird es mit der Güte übetrieben, weckt sie in uns, den Empfängerïnnen der Güte, den Vedacht, dass es sich gar nicht um uns dreht.
Tolerance is, not too seldom, a dance with one's own devils.
If goodness is overdone, it evokes in us, the recipients of goodness, the thought that it is not about us at all.
142.
Jeder Schmerz, den wir suchen, findet uns.
Jede Freude, der wir den Rücken zukehren, verlässt uns.
Every pain we seek finds us.
Every joy we turn our backs on leaves us.
143.
In der Gier, selbst der unerfüllbaren, zeigt sich der Mensch oftmals am vergnügtesten.
Wünsche haben, seit jeher, ein Vermehrungsproblem.
In greed, even the unfulfillable, one often shows oneself most pleased.
Wishes have, since time immemorial, a multiplication problem.
144.
Ein Paradies macht mehr Arbeit als eine Hölle.
Gute Taten verlangen einen Mehraufwand von uns, ein tatsächliches Engagement und eine Gedankenschärfe, die schlechten Taten, die oft genug von der Spontanität zehren, nicht eigen ist.
A paradise makes more work than a hell.
Good deeds require an extra effort from us, an actual commitment and a sharpness of thought that is not inherent in bad deeds, which often enough feed on spontaneity.
145.
Wer zählt, verzählt sich, irgendwann.
Nummern sind gleichzeitig objektiv und subjektiv, aber niemals neutral.
Anyone who counts will miscount, eventually.
Numbers are simultaneously objective and subjective, but never neutral.
146.
Wer schläft, hat mehr von der Müdigkeit.
Verantwortungsbewusstsein, das nur sich selbst in Frage stellt, ist ein Kopfbahnhof, der darauf wartet, abgerissen zu werden.
Who sleeps, gets more out of tiredness.
A sense of responsibility that questions only itself is a dead-end station waiting to be torn down.
Wer sich ausschließlich um sich selbst dreht, leidet an Schwindelgefühlen, die alles überdecken, was sich außerhalb des eigenen Lebenskreises befindet.
Those who solely revolve around themselves, suffer from delusions which cover everything that is outside of their own circle of life.
147.
Wer sich hasst, liebt einen Teil von sich, der nicht zu verwirklichen ist.
Routine kreiert Flüchtigkeitsfehler, die sich tiefer und tiefer bohren, bis sie selbst zur Routine werden.
Those who hate themselves love a part of themselves that cannot be realized.
Routine creates slip-ups that drill deeper and deeper until they themselves become routine.
148.
Stress findet sich umwerfend, er hält sich für unwiderstehlich.
Wahrheit ist keine Währung, die sich umtauschen lässt.
Stress considers itself stunning, it thinks it's irresistible.
Truth is not a currency that can be exchanged.
149.
Die Abhängigkeit der Unabhängigkeit sei die elementarste: die von sich selbst.
Wenige, die Rezepte austeilen, würden sie selbst befolgen.
The dependence of independence is the most elementary: on itself.
Few who hand out prescriptions would follow them on their own.
150.
In der Routine liegt selten die Kraft, sondern oftmals falsche Sicherheit.
Verhütung sei ein negativer Schöpfungsakt.
There is rarely strength in routine, but often false security.
Contraception is a negative act of creation.
151.
Wer betrogen werden will, findet reichlich Gelegenheit dazu.
Widerstand beginnt, am besten, weit bevor er keinen Unterschied mehr macht.
Those who want to be deceived will find plenty of opportunity to do so.
Resistance begins, ideally, far before it no longer makes a difference.
152.
Ruchlosigkeit findet schnell Freunde - falsche.
Naivität verzichtet auf Perspektivwechsel; beharrt also auf ihren Standpunkten, was, in schöner Regelmäßigkeit, zum Problem wird.
Nefariousness quickly finds friends - false ones.
Naivety refrains from a change of perspective; therefore, it insists on its point of views, which, with nice regularity, becomes a problem.
153.
Liebe, die weder sich noch anderen verzeiht, hat eine kurze Lebensdauer.
Am Anfang hat das Ende weniger Bedeutung als der Anfang am Ende.
Love that does not forgive itself or others has a short life span.
In the beginning, the end has less meaning than the beginning at the end.
154.
Wer "lediglich" sagt, erwartet, so steht es mit der falschen Bescheidenheit, eine ausgedehnte Lobeshymne.
Anspruch und Wirklichkeit heucheln Freundschaft allerhöchstens vor.
Whoever says "merely" expects, so it stands with false modesty, an extended hymn of praise.
Claim and reality at the very most feign friendship.
155.
Gewalt kommt niemals aus der Übung; sie wartet geduldig und schlägt dann erbarmungslos zu.
Alte Liebe rostet, alter Hass nicht.
Violence never gets out of practice; it waits patiently and then strikes mercilessly.
Old love gets rusty, old hatred does not.
156.
Uneigennützige Hilfe heftet Rechnungen noch gründlicher ab als eigennützige.
Gewalttätigkeit versteckt sich niemals lange, selbst wenn sie sich sehr darum bemüht.
Unselfish help staples bills even more thoroughly than selfish help.
Violence never hides for long, even if it tries very hard.
157.
Wer Tiere tötet, seien wir ehrlich, tötet sich selbst.
Unachtsamkeit ist ein Kosewort des Kapitalismus.
Those who kill animals, let's face it, kill themselves.
Carelessness is a term of affection in capitalism.
158.
Kapitalismus hat einen großen Nachteil - Geld.
Überdruss ist sich selbst der nächste.
Capitalism has one major disadvantage - money.
Weariness is the closest to itself.
159.
Zeit zeigt sich erstaunlich leutselig, bevor sie abläuft.
Verletzungen sind Mahnungen, die wir, nach der Genesung, sofort in den Wind schlagen.
Time shows itself to be surprisingly affable before it expires.
Injuries are reminders that we, after recovery, immediately set at nought.
160.
Wer wenige Bälle getreten hat, mag den Eindruck gewinnen, dass alle Bälle weich sind - was ein Trugschuss ist.
Gewichte zu stemmen, hilft nicht der Fluchtgeschwindigkeit.
Those who have kicked few balls may get the impression that all are soft - which is a ballacy.
Lifting weights does not help the escape speed.
161.
Gute Fragen sind weit seltener als schlechte Antworten.
Wer Zweifel ausradiert, kreiert höchstens Leerstellen.
Good questions are far rarer than bad answers.
If you erase doubts, you create voids, at best.
162.
Jeder Fehler führt ein Eigenleben.
Zu scheitern, schmeckt nicht nach Manna, selbst wenn wir uns, im Laufe der Niederlagen, an den Geschmack gewöhnt haben.
Every mistake has a life of its own.
To fail does not taste like manna, even if, in the course of defeats, we have become accustomed to the flavor.
163.
Wer sich überlegen fühlt, erblindet für Details.
Eine Aussicht führt uns nicht per se näher an ein Ziel.
Those who feel superior become blind to details.
A perspective does not per se lead us closer to a destination.
164.
Gerechtigkeit, vollmundig versprochen, entpuppt sich zu oft als Schmalspur-Ethik auf Diät.
Müdigkeit gibt uns Tag für Tag einen Vorgeschmack aufs Sterben.
Justice, promised in grand style, too often turns out to be a narrow-minded ethic on a diet.
Day after day, tiredness gives us a foretaste of dying.
165.
Gebote sind keine Angebote.
Liebe hat eine üble Angewohnheit - sie verlangt Beweise.
Commandments are not offers.
Love has a bad habit - it demands proofs.
166.
Am Leben lässt sich, prinzipiell, einiges loben, allerdings nicht seine Kürze.
Jede Minute enthält die Ewigkeit.
Life can, in principle, be praised for a number of things, but not for its brevity.
Every minute contains eternity.
167.
Zu können, heißt nicht, zu dürfen; ein wesentliches Grundproblem der Menschheit.
Maß zu halten, erfordert nicht so sehr Präzisionswerkzeuge, sondern Denkgenauigkeit und Unterstützung; wer allein ist, kommt noch schneller vom Kurs ab.
To be capable does not mean to be allowed; an essential basic problem of mankind.
To be measured requires not so much precision tools, but accuracy of thought and support; those who are alone go off course even faster.
168.
Ausnahmen werden, im Laufe der Zeit, oftmals zur Regel - und zur Einnahmequelle.
Ideale verwandeln sich, geraten sie in bestimmte Hände, in Fallen, in die Andersdenkende gesperrt werden.
Over time, exceptions often become the rule - and a source of income.
Ideals are transformed, if they fall into certain hands, into traps into which dissenters are confined.
169.
Sich selbst zu beherrschen, darf nicht im gedanken- und gefühllosen Totalitarismus enden.
Sprache sei sowohl das flexibelste als auch starrste Werkzeug der Menschheit.
To be in command of oneself must not end in thoughtless and unfeeling totalitarianism.
Language is both the most flexible and rigid tool of humanity.
170.
Die eigennützige Anbetung und Überhöhung des Geldes war, ist und bleibt das Erzübel des Kapitalismus.
Wer Veränderung will, muss bei sich beginnen.
The selfish worship and glorification of money was, is and remains the basic evil of capitalism.
If you want change, you have to start with yourself.
171.
Niemand kann sich auf die Zeit verlassen; sie ist nicht, was sie scheint.
Während wir sind, zählen sowohl Physik als auch Metaphysik, während das Nicht-Sein bedeutungslos ist.
No one can rely on time; it is not what it seems.
While we are, both physics and metaphysics count, while not-existing is meaningless.
172.
Ambitionen werden mit dem Alter, oft genug, leiser, aber selten weiser.
Pläne kümmern sich, aus Prinzip, nicht um ihre Ausführung.
Ambitions become quieter with age, often enough, but rarely wiser.
Plans, on principle, do not care about their execution.
173.
Die Idee der Überhöhung steckt in uns allen, besonders in mir.
Humor, der über sich selbst lacht, ist das Gegenteil von witzlos.
The idea of elevation is in all of us, especially in me.
Humor that laughs at itself is the opposite of witless.
174.
Ironie ist, im Unterschied zum Zynismus, keine Waffe, sondern ein Werkzeug.
Die Überwachung des Gesprochenen und Geschriebenen, aus kapitalistischen und politischen Gründen, hat ungeheure Maße angenommen, was Demokratien systematisch aushöhlt, aber, dank der Allgegenwart der Kommunikation, bei den Sprechenden ein permanentes Gefühl von falscher Freiheit und Entscheidungshoheit schafft.
Irony, unlike cynicism, is not a weapon but a tool.
The surveillance of what is spoken and written, for capitalist and political reasons, has taken on immense proportions, systematically undermining democracies but, thanks to the ubiquity of communication, creating in those who speak a permanent sense of false freedom and decision-making sovereignty.
175.
Das Problem mit jeder Art von Beigeschmack ist, dass wir uns, zu häufig, allein auf ihn konzentrieren.
Wer sich mit einer einzigen Sache sehr genau auskennt, ist einerseits zu beneiden, andererseits zu bedauern, da diese Sache - wie wichtig sie ist, spielt dabei keine Rolle -, einen Schatten wirft, der die Sonne verdeckt.
The problem with any kind of smack flavor is that we focus, too often, on it alone.
Those who are very knowledgeable about a single thing are to be envied on the one hand, and pitied on the other, because that thing - how important it is is irrelevant - casts a shadow that obscures the sun.
176.
Leichtigkeit sei schwer erreichbar.
Jedes Gewicht kennt Probleme.
Lightness is hard to achieve.
Every weight knows problems.
177.
Einbildung besitzt eine Eigenschaft, die gleichzeit von Vor- und Nachteil ist - sie genügt sich selbst.
Wissen ist eine verlässliche Zeitmarke.
Imagination possesses a quality that is simultaneously advantageous and disadvantageous - it is self-sufficient.
Knowledge is a reliable marker of time.
178.
Die Unvergänglichkeit sei, im Engtanz, der Lebensdauer treu.
Die Außenwirkung steht mit der inneren Wirklichkeit regelmäßig auf Kriegsfuß.
The everlastingness is, in a tight dance, faithful to the lifespan.
The external effect is regularly at odds with the internal reality.
179.
Geteilte Freude enteilt langsamer.
Kummer, einmal eingezogen, erschöpft, beinahe grundsätzlich, jede Gastfreundschaft.
Shared joy is slower to escape.
Grief, once moved in, exhausts, almost as a matter of principle, any hospitality.
180.
Ausdauer erfordert Beharrlichkeit.
Die Unwahrscheinlichkeit besitzt eine erstaunlich hohe Wahrscheinlichkeit, besonders die emotionale.
Stamina requires insistence.
The improbability has an amazingly high probability, especially the emotional one.
181.
Belohnung und Lohn trennen Welten, was gerne vergessen wir, besonders im Kapitalismus.
Zu verdienen, heißt nicht, zu dienen.
Reward and salary are worlds apart, something we tend to forget, especially in capitalism.
To deserve does not mean to serve.
182.
Das Gut zu sehen, heißt nicht, das Böse zu übersehen.
Ein ausgeglichenes Leben sucht den besonnenen Vergleich, nicht den per se unzufriedenen Abgleich.
To look at the good does not mean to overlook the bad.
A balanced life seeks the prudent settlement, not the per se dissatisfied alignment.
183.
Gewissenhaftigkeit funktioniert ohne Gewissen.
Bösartigkeit verabscheut jedwede Selbstgenügsamkeit.
Conscientiousness works without conscience.
Wickedness abhors any self-sufficiency.
184.
Wer viel lügt, wird sich selbst irgendwann fremd.
Wahrheit hat wenige Freundschaften, die sind allerding tief und innig.
One who lies much, becomes stranger to oneself, sometime.
Truth has few friendships, those are however deep and intimate.
185.
Wer etwas erreichen will, darf es mit der Erreichbarkeit nicht übertreiben.
Das maßlose Leben am Handy krümmt sowohl den Geist als auch den Rücken.
If you want to achieve something, you must not overdo it with accessibility.
An excessive life on the mobile phone bends both the mind and the back
186.
Sich selbst zu täuschen, ist eine besonders anstrengende Herausforderung, die dennoch von vielen unermüdlich angegangen wird.
Im Kompliment steckt, durch die Hervorhebung des einen, so viel Kritik am anderen, wie wir hören wollen.
Deceiving oneself is a particularly exhausting challenge, which is nevertheless tirelessly tackled by many.
In a compliment, by highlighting one aspect, there is as much criticism of another as we want to hear.
187.
Wäre das Leben eine Krankheit, der Tod wäre seine Kur.
Wer nur über seine Gebrechen spricht, schließt den Kreis um sich enger und enger.
If life were a disease, death would be its cure.
Those who only talk about their ailments close the circle around themselves tighter and tighter.
188.
Langsamkeit besitzt eine grundsätzliche Eigenschaft, die sie von allen anderen Geschwindigkeiten, inklusive des Stillstands, unterscheidet: sie ist kaum auf Konfrontationskurs mit der Welt.
Eile sei die Vorstufe der Blindheit.
Slowness has a fundamental quality that distinguishes it from all other speeds, including standstill: it is hardly on a confrontation course with the world.
Haste is the preliminary stage of blindness.
188/3.
Those who do not admit their lies and mistakes utter another lie.
Wer seine Lügen und Fehler nicht eingesteht, äußert eine weitere Lüge.
189.
Jedes Medium schafft sich die Zeit, die es braucht; dass dabei Strukturen zerstört werden, ist unumgänglich und wird Fortschritt genannt.
Sprache regelt sich selbst, Akademien hinken ihr grundsätzlich hinterher.
Every media creates the era it needs; the fact that structures are destroyed in the process is inevitable and is called progress.
Language regulates itself; academies fundamentally limp behind it.
190.
Wer sich kaufen lässt, darf sich nicht wundern, wenn ein Weiterverkauf ansteht.
Kriege sind die Krönung der absoluten Identitätspolitik.
Those who allow themselves to be bought should not be surprised when a resale is imminent.
Wars are the coronation of absolute identity politics.
191.
Zu kritisieren ist sehr viel einfacher, als selbst zu machen, gerade in der Politik und in der Kunst.
Ekel wird, fatalerweise, fast ausschließlich mit dem assoziert, was uns von außen erreicht; dass wir uns - nicht zu selten - eklig benehmen, bleibt uns dagegen verborgen.
It is much easier to criticize than to do it ourselves, especially in politics and art.
Disgust is, fatally, almost exclusively associated with what reaches us from the outside; that we behave disgustingly - not too rarely - remains hidden from us.
192.
Furcht, auch die notwendige, besitzt eine seltsame Eigenschaft - sie multipliziert sich oftmals mit sich selbst.
Mut, einmal von der Leine gelassen, beweist sich sowohl an angebrachter als auch unangebrachter Stelle.
Fear, even necessary fear, possesses a strange quality - it often multiplies itself.
Courage, once let off the leash, proves itself both in appropriate and inappropriate places.
193.
Allein mit dem Wissen um den Ich-Tod, lässt sich das Wir-Sein angemessen gestalten.
Unsterblichkeit ist uns während unserer Lebenszeit gegeben.
Only with the knowledge of the I-death, the we-being can be created appropriately.
Immortality is given to us during our lifetime.
194.
Falsche Freundschaften verletzen mehr, wenn sie platzen, als offene Feindschaften.
Güte, die kein Ende kennt, ist Selbstaufopferung - und somit, aus verschiedenen Gründen, wenig ratsam.
False friendships hurt more when they burst than open enmities.
Kindness that knows no end is self-sacrifice - and thus, for various reasons, not very advisable.
195.
Mühe, die auf Belohnung hofft, lebt in einem Wolkenkuckucksheim.
Gerechtigkeit spricht oftmals Einladungen aus, die für eine geschlossene Gesellschaft gedacht sind.
Wer arbeitet, aber nicht in der Lage ist, die Bedingungen vorab festzulegen, wird von der ganzen Großzügigkeit und Schönheit des Kapitalismus überwältigt werden.
Effort that hopes for reward lives in a cloud cuckoo land.
Justice often issues invitations that are meant for a closed party.
Those who work but are unable to set the conditions in advance will be overwhelmed by all the generosity and beauty of capitalism.
196.
Einladungen kommen, nahezu immer, mit Widerhaken, die man erst lange Zeit nach dem Fest richtig spürt.
Zu trösten, heißt, sich selbst zurückzunehmen, was wenigen zufriedenstellend gelingt.
Invitations come, almost always, with barbed hooks that one doesn't really feel until long after the party is over.
To console means to withdraw oneself, which few succeed in doing satisfactorily.
Der Kapitalismus funktioniert, grob gesagt, so: Wir schaffen uns zwei Schatullen an - eine für Gewissensbisse, die andere für den unlauteren Profit.
Wer eine Liebesversicherung abschließen will, dürfte erstaunt über die vielen Policen sein, die allerdings alle so viel Kleingedrucktes enthalten, dass sie sich, im Schadensfall, als Makulatur erweisen.
197.
Jedes Ungeheuer besitzt ein Narrativ, das von anderen gehegt und gepflegt wird.
Die Mühe, die wir uns mit dem Leben machen, zahlt es uns, selten, in gleicher Münze heim - was nicht heißt, dass wir die Währung tauschen sollten.
Every monster has a narrative that is fostered and nurtured by others.
The effort we make with life, it pays us back, rarely, in equal coins - which does not mean that we should exchange currency.
198.
Viele Lügen des Kapitalismus tragen Sonderangebot-Etiketten.
Moralisch zu träumen, reicht nicht.
Many lies of capitalism wear special offer labels.
To dream morally is not enough.
199.
Solidarität pflegt wenige Freundschaften, die sich zwar eng nennen, aber um ihr, bei Bedarf, Losgelöstsein wissen.
Viele Sätze, die zusammen sind, verstecken sich, nicht zu selten, gegenseitig.
Solidarity cares for few friendships that call themselves close, but, when necessary, know how to detach.
Many sentences together hide, not too rarely, each other.
200.
Jedem Jubiläum wohnt ein Zufall inne.
Bemessungsgrundlagen für Geleistetes haben, in schöner Regelmäßigkeit, zwei Probleme - weder setzen sie auf nachhaltige Vergleichbarkeit noch die Konsequenzen in der Vergangenheit und Zukunft.
There is an inherent coincidence in every jubilee.
With beautiful regularity, the bases for measuring achievements have two problems - they neither rely on sustainable comparability nor on the consequences in the past and in the future.
201.
Im Kanon steckt die Kanone.
Keine Liste ist gegen den Größenwahn gefeit; irgendwann hält sie sich für abgeschlossen, schickt diejenigen, die bereits warten, ungerührt fort und sich selbst ins Verderben.
In the canon lurks the cannon.
No list is immune to delusions of grandeur; at some point it considers itself complete, sends, unmoved, those already waiting away, and itself to its doom.
202.
Börsen sind sich selbst am nächsten.
Mit den Treueschwüren des Geldes ist es so eine Sache - es verspricht viel, was wir hören wollen, ewige Liebe gar, wenn der Tag lang ist, zieht aber Nachts um die Bankhäuser und lässt sich renditegeil aufgabeln.
Stock exchanges are closest to themselves.
Money's vows of loyalty are curious; it promises a lot of stuff we want to hear, even eternal love, when the day is long, but at night, eager for quick returns, it does the rounds of banks and lets itself be picked up by anyone.
203.
Überholspuren bieten, neben vielen Vorteilen, auch einen schnelleren Zugang zur letzten Ausfahrt.
Entschleunigung hat nichts mit dem grundsätzlichen Verzicht auf Schnelligkeit zu tun; das Tempo wird situationsbezogen erhöht, nicht per se gerast.
Fast lanes offer, among many benefits, quicker access to the last exit.
Slowing down, Entschleunigung, has nothing to do with a fundamental abandonment of speed; the pace is increased according to the situation, one does not race per se.
204.
Es gibt wenige Orte, die mehr über uns verraten als unsere Gärten; jede Entscheidung für eine Pflanze gleicht einer Kriegserklärung oder einem Friedensvertrag.
Was die einen Harmonie nennen, ist für andere ein Maulkorb.
There are few places that reveal more about us than our gardens; every choice of plant is like a declaration of war or a truce.
What some call harmony is a muzzle to others.
205.
Die meisten von uns versuchen, sich selbst zu beerben, was die Testamentsvollstreckung schwierig gestaltet.
Eine Lebensversicherung ist eine seltsame Sache, ja ein Ding der Unmöglichkeit, schon der Begriff beinhaltet eine existenzielle Lüge.
Most of us try to inherit our own estates, which makes the execution of wills difficult.
Life insurance is a strange thing, even an impossibility, the very term contains an existential lie.
206.
Eine Wahrheit, die uns nicht verletzt, betrifft uns nicht.
Wer nur nach Rezepten kocht, entwickelt Geschmacksstörungen.
A truth that does not hurt us does not concern us.
Those who cook only according to recipes develop taste disorders.
207.
Den Schlaf als Vorboten des Todes zu verstehen, wird der Lebendigkeit der Träume nicht gerecht.
Die Nacht durchschlafen zu müssen, ist eine kapitalistische Zwangsvorstellung, die sowohl dem Wecker als auch der Stechuhr hörig ist.
To understand sleep as a harbinger of death does not do justice to the vitality of dreams.
To have to sleep through the night is a capitalist obsession that is in thrall to both the alarm and the attendance clock.
208.
Die Rätselhaftigkeit der Kunst sei der enigmatischen Qualität des Daseins geschuldet.
Wer auf Teufel komm raus gefallen will, missachtet nicht nur die Intelligenz des Publikums, sondern landet auch schließlich im Geschmacks-Pugatorium.
The enigmatic in art is indebted to the arcane quality of existence.
Those who want to please like hell not only disregard the intelligence of the audience, but also end up in the pugatory of taste.
Privilegien stehen der Gerechtigkeit ganz grundsätzlich im Wege.
Gleicheit eliminiert, im demokratischen Idealfall, sowohl Vor- als auch Nachteile.
Privileges fundamentally stand in the way of justice.
Equality, in the democratic ideal, eliminates both advantages and disadvantages.
209.
Kunst, auch die arkane, ist keine Religion, auch wenn viele von uns das gerne hätten.
Wenig wird mehr überbewertet als der Augenschein.
Art, even the arcane, is not a religion, although many of us would like that to be the case.
Little is more overrated than appearance.
210.
Wer unablässig den eigenen Vorteil sucht, wird über kurz oder lang zum Nachteil für andere.
Methoden sind die Moden des Geistes.
Those who constantly seek their own advantage will sooner or later become a disadvantage to others.
Methods are the fashions of the mind.
211.
Jeder Sumpf hat seine eigenen Gesetze.
Gerechtigkeit hat viele Gesichter, aber nur einen einzigen Körper.
Every swamp has its own laws.
Justice has many faces, but only one body.
212.
Jede Versuchung, die etwas auf sich hält, kratzt am Verbotenen.
Im Erlaubten steckt, irgendwann, eine gehörige Portion Langeweile.
Every temptation that is self-respecting scratches at the forbidden.
At some point, there is a good portion of boredom in what is permitted.
213.
Während der zeitweise Gewinn uns vereinzelt, ist es der dauerhafte Verlust, den wir mit allen, irgendwann, teilen.
Nutzen und Profit sind keine besonders guten Freunde; arbeiten sie dennoch zusammen, lauert im Hintergrund der Verdacht, vom anderen verachtet zu werden.
While the temporary gain isolates us, it is the permanent loss that we share with everyone, eventually.
Usefulness and profit are not particularly good friends; if they nevertheless work together, the suspicion of being despised by the other lurks in the background.
214.
Feindschaften verbünden sich gerne, halten aber dennoch nichts voneinander.
Eine Koalition ist immer so alt wie ihr jüngster Streit.
Hostilities like to ally, but still think nothing of each other.
A coalition is always as old as its youngest quarrel.
215.
Denken schließt Langeweile aus.
Gefühle werden solange unterschätzt, bis sie uns fehlen.
Thinking excludes boredom.
Feelings are underestimated until we lack them.
216.
Jedes Tal kennt Minderwertigkeitsgefühle, jeder Berg Hochmut.
Land zu besitzen, ist eines der am weitesten verbreiteten Betrugsmanöver, das jeder Klassengesellschaft als Grundlage dient.
Every valley knows its sense of inferiority, every mountain its arrogance.
Owning land is one of the most widespread frauds that serves as the basis of each class society.
217.
Am Negativen herrscht nie Mangel, auch wenn es tatsächlich nur einen geringen Teil der Wirklichkeit in Anspruch nimmt.
Wer sich ausschließlich um sich selbst kümmert, verkümmert sowohl moralisch als auch emotional.
There is never a shortage of the negative, even if it actually takes up only a small part of reality.
Those who care exclusively about themselves shrivel up, both morally and emotionally.
218.
Vergeblich zu lieben, ist ein Luxus, den man sich, um dem Trott der vorhersehbaren Gezeiten zu entkommen, ab und an leisten sollte.
Der mächtigste Strom des Kapitalismus ist der Überfluss, dem, heutzutage, die Schleusenwärterïnnen abhandengekommen sind.
To love in vain is a luxury that, in order to escape the rut of predictable tides, should be afforded, now and then.
The most powerful stream of capitalism is the overflow, which, nowadays, has lost its watergate keepers.
219.
Wer gezwungen wurde, zu schweigen, erzählt, auch, von der Stille.
Sprache bleibt sich treu, selbst wenn sie betrogen wird.
Those who have been forced to remain quiet tell, also, of silence.
Language remains true to itself, even when it is betrayed.
220.
Das Glück besitzt eine unterschätzte Eigenschaft - es genügt sich häufiger als andere Gefühle.
Anspruch und Wirklichkeit sind in unseren Träumen am glücklichsten, dort wird ihre Zuneigung füreinander nicht in Frage gestellt.
Happiness has an underestimated quality - it is self-sufficient more often than other feelings.
Entitlement and reality are happiest in our dreams, where their affection for each other is not questioned.
221.
Eine Reservierung als absoluten Anspruch zu lesen, sagt viel über unsere kapitalistische Konditionierung aus.
Bewegt sich der Glaube aus dem Privaten in die Öffentlichkeit, verliert er, sofort, seine intrinsische Innerlichkeit, wird zum willfährigen Werkzeug der Macht.
To read a reservation as an absolute claim says a lot about our capitalist conditioning.
If faith moves from the private to the public, it loses, immediately, its intrinsic inwardness, becomes a compliant tool of power.
222.
Jede Antwort enthält ihre spezifischen Fehler.
Sind Fragen die interessantesten Sätze?
Each answer contains its specific errors.
Are questions the most interesting sentences?
223.
Weder kann noch will sich Herablassung verstecken, sie versinnbildlicht sowohl falsche Grandezza als auch echte Erniedrigung.
Am süßesten schmeckt nicht die Rache, sondern die Gewissheit, ihrer überdrüssig zu sein.
Condescension neither can nor wants to hide, it symbolizes both false Grandezza and real humiliation.
The sweetest taste is not revenge, but the certainty of being weary of it.
224.
Kunst entzieht sich jeder Definition.
Kunst öffnet sich jeder Definition.
Art eludes any definition.
Art opens itself to any definition.
Definitionen sind Überwachungswerkzeuge des Geistes.
Definitionen sind, gelegentlich, Garanten des Fortschritts.
Definitions are surveillance tools of the mind.
Definitions are, occasionally, guarantors of progress.
225.
Frieden, der gekauft wird, ist nicht nur zweite Wahl, er wird, in aller Regel, wieder umgetauscht.
Verhandlungen funktionieren einigermaßen zwischen Gleichstarken, funktionieren allerdings wesentlich besser zwischen Stark und Schwach, jedenfalls aus einer Sicht.
Peace that is bought is not only second choice, it will, as a rule, be exchanged again.
Negotiations work reasonably well between equals, but they work much better between strong and weak, at least from one standpoint.
226.
Das Schweigen ist, was oftmals vergessen wird, ein maßgeblicher Teil der Sprache.
Viel zu reden, macht entweder sehr glücklich oder sehr unglücklich.
Silence, which is often forgotten, is a crucial part of language.
Talking a lot either makes you very happy or very unhappy.
227.
Ekel kann, durchaus, auf einer persönlichen Abneigung beruhen, in aller Regel handelt es sich jedoch um eine kulturspezifische Impfung, die uns von klein auf in hohen Dosen heimlich verabreicht wird.
Heimat, nicht ausgehebelt, sei das Unheimliche per se.
Zuhause zu sein, heißt, sowohl mit sich als auch mit anderen zu sein.
Disgust can, by all means, be based on a personal aversion, as a rule, however, it is a culture-specific vaccination, which is secretly administered to us in high doses from an early age.
Heimat, a mixture of a physical und spiritual homeland, Heimat, not leveraged, is the uncanny per se.
To be at home is to be both with oneself and with others.
228.
Erziehung, die zu uns hält, verlässt sich sowohl auf das Ich als auch das Wir.
Die Durchsetzung des Rechts zielt weder allein auf das Individuum oder die Gruppe, sie zielt, im Idealfall, auf Gerechtigkeit.
Education that stands by us relies on both the I and the We.
The enforcement of law does not aim solely at the individual or the group; it aims, ideally, at justice.
Das Überraschende an der Zeit ist nicht, wie schnell oder langsam sie vergeht, subjektiv gesehen, sondern dass es Zeit überhaupt gibt.
Ein Raum, der - im weitesten Sinne - nicht geteilt wird, entwickelt sich, über kurz oder lang, zur solipsistischen Zelle.
The surprising thing about time is not how slow or fast it passes, subjectively speaking, but that time exists at all.
A space that is not shared - in the broadest sense - becomes, sooner or later, a solipsistic cell.
229.
Was ist, ist nicht, weil ich, aber während ich bin.
Du bist, weil Du bist, während Du bist.
What is, is not because I am, but while I am.
You are because you are, while you are.
Die Schönheit der Schlagzahl geht auf Kosten der Geschlagenen.
Die Selbstgenügsamkeit jedes Systems sei a priori begrenzt, die Gier, in aller Regel, nicht.
The beauty of the rate of strokes comes at the expense of the beaten.
The self-sufficiency of every system is a priori limited, greed, as a general rule, is not.
230.
Eine gefährliche Feindschaft, wenn nicht die gefährlichste, ist die mit sich selbst.
Eine Freundschaft, in der die Wahrheit zählt, ist die, mit Abstand, wunderbarste Ménage à trois.
A dangerous enmity, if not the most dangerous, is the one with oneself.
A friendship, in which the truth counts, is, by far, the most wonderful ménage à trois.
231.
Jede Situation ist die Dekonstruktion eines komplexeren Bildes.
Fragmente sind solange zufrieden, bis wir sie als Lücke definieren.
Every situation is the deconstruction of a more complex image.
Fragments are satisfied until we define them as a gap.
232.
Die Haltbarkeitsdaten etlicher metaphysischer Ideen sind erstaunlich flexibel, sie gehen von einer Verlängerung zur nächsten, obwohl sie sich als starrköpfig, ja destruktiv herausgestellt haben.
Falsifikation versagt, weitgehend, in metaphysischen Systemen, die auf Glaubenssätzen beruhen und nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollen.
The shelf life of quite a few metaphysical ideas is remarkably flexible, going from one renewal to the next, even though they have been shown to be obstinate, even destructive.
Falsification fails, largely, in metaphysical systems that are based on beliefs and do not want to be held accountable.
Das Leichte ist sich treuer, als es das Schwere wahrhaben will.
Die Nähe schätzt die Entfernung mehr als die Entfernung die Nähe.
The Light is more faithful to itself than the Heavy wants to admit.
Closeness values distance more than distance values closeness.
233.
Jede Erwartung knallt alsbald, zur Norm aufgebläht, gegen ihren Horizont.
Vertrauen ist eine arge Seltsamkeit, es zeigt sich, nicht zu selten, unerschütterlich, obwohl es um die Vergeblichkeit zu hoher Erwartungen längst weiß.
Any expectation, inflated to become a norm, soon slams against its horizon.
Trust is a strange thing, it shows itself, not too seldom, unshakable, although it has long known about the futility of too high expectations.
234.
Wer sich nicht festhält, hat nicht das Problem, loszulassen.
Jede Festlegung bekommt, über die Zeit, einen närrischen Anstrich, wenigstens in Teilen.
Those who do not hold on do not have the problem with letting go.
Every determination gets, over time, a foolish coating, at least in parts.
235.
Streit, der zum Selbstzweck wird, sitzt alsbald mit der Unproduktivität in einem Boot und macht ihr schöne Augen.
Liebe hält viel aus, bis es aus ist.
Quarrel, which becomes an end in itself, soon sits in the same boat with unproductivity and makes eyes at it.
Love can endure a lot until it's end.
236.
Die rasante Geschwindigkeit der Selbstverleugnung steht im krassen Gegensatz zur Langsamkeit des andauernden Schmerzes, der aus ihr entspringt.
Sich selbst zu sehen, erfordert mehr als ein Augenpaar.
The rapid speed of self-denial stands in stark contrast to the slowness of the ongoing pain that emerges from it.
To see oneself requires more than one pair of eyes.
237.
Wer viel redet, überhört viel, sehr viel.
Ein Monolog ist kein Gespräch, auch wenn es, nicht zu selten, einer Partie so vorkommt.
If you talk a lot, you miss a lot.
A monologue is not a conversation, even if, not infrequently, it appears so to one party.
238.
Jeder Raum, den wir betreten, hat eine Geschichte, die auf uns wirkt, ob wir es wollen oder nicht.
Erinnerung sei sowohl persönlich als auch öffentlich; wobei die öffentliche die Tendenz hat, die persönliche unterzubuttern, was vielen, aus unterschiedlichen Gründen, sogar Recht ist.
Every space we enter has a history that affects us, whether we like it or not.
Memory is both personal and public; the public tends to subordinate the personal, which is even convenient for many, for different reasons.
239.
Die Gier, die in mir wohnt, ist eine, gelegentlich, charmante Untermieterin, die, aus Prinzip, nicht nur die Miete prellt, sondern auch ihre Mitbewohnerïnnen, darunter Großzügigkeit und Freundschaft, verprellt.
Wer alles will, endet mit nichts.
The greed that lives in me is a, occasionally, charming lodger, who, on principle, not only skimps on the rent, but also alienates her housemates, including generosity and friendship.
Those who want everything end up with nothing.
240.
Der Sinnlosigkeit können wir, die dem Glauben nichts abgewinnen, allein durch Daseinsakzeptanz begegnen, und die Sinnlichkeit, was für ein Glück, steht uns, erlauben wir es, praktischerweise bei.
Wahre Autonomie kennt keinen Feierabend.
Das Üble, begehen wir es, fällt nicht nur auf uns zurück, es trennt uns auch von uns selbst, vom Guten in uns.
We, who have nothing to gain from faith, can meet senselessness only by accepting existence, and sensuality, what a happiness, conveniently stands by us, if we allow it.
True autonomy knows no closing time.
The evil, if we commit it, not only falls back on us, it also separates us from ourselves, from the good in us.
241.
Die Wirkung von Signalen wird von den Sendenden regelmäßig eher unter- als überschätzt, bei den Empfängerïnnen ist es vice versa.
Jede Deutungshoheit enpuppt sich, über kurz oder lang, als Farce.
The effect of signals is regularly underestimated rather than overestimated by the senders, and the reverse is true for the receivers.
Sooner or later, any interpretive supremacy turns out to be a farce.
242.
Verbindungen, die wir unterbrechen, knüpfen nicht am Bruchpunkt, sondern an einer Lücke an, also, gewissermaßen, im und am Nichts.
Jede Wiederaufnahme, auch die eines zuvor erfolgreichen Stückes, sei eine Premiere, die misslingen kann.
Connections that we interrupt do not tie up at the point of rupture, but at a gap, that is, in a sense, in and at nothingness.
Every revival, even that of a previously successful piece, is a premiere that can fail.
243.
Belohnungen riechen schnell nach Willkür.
Hält Wut an, endet sie im Blutrausch.
Rewards quickly smell of arbitrariness.
If rage persists, it ends in bloodlust.
244.
Was meinen Tod unwirklich macht - er wird dasein, während ich nicht mehr bin, er geht mich, gewissermaßen, rein gar nichts an.
Die Wirklichkeit des Todes der Anderen, während ich bin, macht den Tod zum Mörder, der endlich existenzlang hinter Gitter gehört.
What makes my death unreal - it will be there while I am no more, it concerns me strictly, so to speak, not at all.
The reality of the death of the others, while I am, makes the death a murderer who finally belongs behind bars, existence-long.
245.
Abschiede sind, in Wahrheit, treulose Gesellen, einmal angekommen, machen sie sich gleich aus dem Staub.
Viel zu klagen, steigert und verringert gleichzeitig die Chance, gehört zu werden.
Goodbyes are, in truth, disloyal companions; once they arrive, they immediately take off.
Complaining a lot increases and at the same time reduces the chance of being heard.
246.
Wer sich Mühe gibt, gibt Anderen, nicht zu selten, Mühseligkeiten.
Wut ist ein schlechter Ratgeber, fast genauso schlecht wie die Liebe.
Whoever makes an effort gives others, not too seldom, troubles.
Anger is a bad advisor, almost as bad as love.
246.
Der Glaube gesellt sich gern, allerdings nur mit seinesgleichen; trifft er auf andere, sollen sie ihm lieber weichen.
Toleranz etabliert per se eine Hierarchie, die denjenigen, die sich für tolerant halten, aber in Wahrheit herablassend sind, so gut wie niemals auch nur ansatzweise bewusst ist.
Faith likes to socialize, but only with its own kind; if it meets others, they should rather give way to it.
Tolerance per se establishes a hierarchy whereby those who think they are tolerant, but are in fact condescending, are rarely even remotely aware of.
247.
Wer am Anfang nur stur ans Ende denkt, kriegt vom Reiz der Mitte nichts mit.
Ignoranz gesellt sich gern.
Ignoranz und Bösartigkeit gesellt sich gern.
If you only think about the end at the beginning, you miss the appeal of the middle.
Ignorance gladly joins in.
Ignorance and nastiness gladly go hand in hand.
248.
Schließlich, sind wir ehrlich, spielen wir uns, kommt es darauf an, nicht zu selten, selbst.
Jede Beobachtung hat ihre spezifische Position, was den Stolz auf die jeweilige Erkenntnis, an sich, dämpfen sollte.
After all, let's be honest, we play ourselves, when it matters, not too infrequently.
Each observation has its specific position, which should reduce, per se, the pride in the knowledge derived from it.
249.
Nicht jede Herausforderung, häufig handelt es sich um die, auf den ersten Blick, besonders attraktiven, lohnt die Auseinandersetzung.
Aufgaben, die uns überwältigen, nichts anderes mehr erlauben, tun gerne so, als handelte es sich bei ihnen um en passant-Firlefanz.
Not every challenge, often even those that seem particularly attractive at first glance, is worth tackling.
Tasks that overwhelm us, that allow nothing else, like to pretend that they are en passant trifles.
250.
Vielfalt ist der solideste Baustein des Miteinanders.
Wer nur seinesgleichen sucht, wird, über kurz oder lang, Langeweile finden.
Diversity is the most solid building block of togetherness.
Those who just seek their own kind will find, sooner or later, boredom.
251.
Heute bin ich ich selbst, morgen bin ich ein anderer - und doch, weiterhin, ich selbst.
Veränderung sei die wahre Währung der Inflation.
Today I am myself, tomorrow I am someone else - and yet, still, myself.
Change is the true currency of inflation.
252.
Wenig wird vom Selbst mehr überschätzt als das Selbst.
Eine Übereinkunft, die zählt, kann nicht allein in der Gegenwart fußen, sie hat stets Verbindungen zur Vergangenheit und Zukunft.
Am Ende zählt nichts.
Am Ende - um genau zu sein: nach dem Ende - zählt nichts.
Little is more overrated by the self than the self.
An agreement that counts cannot be based solely in the present; it always has links to the past and the future.
In the end, nothing counts.
In the end - to be precise: after the end - nothing counts.
253.
Entfernen wir den ersten Buchstaben, nähert sich "Treue" dem an, was viele empfinden, die sich ihr, unter falschen Vorzeichen, verschrieben haben.
Konsequenzen zu ziehen, kann, meinen wir es ernst, kein Nullsummenspiel sein.
If we remove the first letter, "trust" comes closer to what many feel who have committed themselves to it, under false pretenses.
Drawing consequences, if we are serious, cannot be a zero-sum game.
254.
Jede Partnerschaft kennt Knackpunkte, werden diese als positiv angesehen, geht es weiter.
Wer sich am Falschen festhält, wird eine richtige Überrschung erleben.
Starrsinn sei die Unsinnlichkeit an sich.
Every partnership knows cruxes, if these are seen as positive, it goes on.
Those who hold on to the wrong thing will experience a true suprise.
255.
Antworten entfernen sich regelmäßig von ihren Fragen; gelingt die Flucht, spricht man, auf Seiten der Antwortenden, von Diskurs.
Macht, die sich hält, obwohl sie längst gegangen sein sollte, hat zwei Mechnanismen besonders perfektioniert - Manipulation und Vermeidung.
Answers regularly move away from their questions; if the escape succeeds, one speaks, on the part of the answerers, of discourse.
Power, which hangs on even though it should have left long ago, has perfected two mechnanisms in particular - manipulation and avoidance.
256.
In der Ausnahme kristaliisiert sich die grobe Linie.
Vermeintliche Eigenheiten entpuppen sich nicht zu selten als revanchistische Massenware, als ideologischer Ballast des manipulierten Individuums.
The rough line crystallizes in the exception.
Supposed characteristics not too seldom turn out to be revanchist mass-produced goods, the ideological ballast of the manipulated individual.
257.
Wer zum Glück gezwungen wird, empfindet es, tief in sich, als Unglück.
Jeder orthodoxe Glaube, kratzt an der Glaubwürdigkeit der Wirklichkeit.
Who is forced to happiness, feels, deep inside, unhappiness.
Every orthodox belief scratches the believability of reality.
258.
Das Billige ist dem Teuren gewogener als das Teure dem Billigen.
Geld und Schirme haben eines gemeinsam: Braucht man sie, hat man sie entweder verlegt oder sie sind zerbrochen.
Abwechslung ist schön, wenn sie nicht zur Manie wird.
Wer viel will, ist mit wenig zufrieden.
The cheap is more in favor of the expensive than the expensive is of the cheap.
Money and umbrellas have one thing in common: If you need them, you have either misplaced them or they are broken.
Variety is nice if it doesn't turn into mania.
Those who want a lot are satisfied with little.
259.
Am Ende des Tages existieren nur zwei Arten von Hilfe - symbolische und echte, wobei erstere die letztere, was die Anzahl betrifft, mühelos abhängt.
Treue zu sich selbst sei der Ursprung jeder anderen Treue.
At the end of the day, only two kinds of help exist - symbolic and real, with the former effortlessly outnumbering the latter.
Loyalty to oneself is the origin of all other loyalty.
260.
Der Faulheit entgeht wenig.
Fleiß wird im Kapitalismus systematisch ausgebeutet.
Little escapes laziness.
Diligence is systematically exploited under capitalism.
261.
Im Garten und im Auto dehnt sich Zeit.
Jeder Übergang, der Reichtum anhäuft, profitiert von der Schwellenangst.
In the garden and in the car time stretches.
Any transition that accumulates wealth benefits from threshold anxiety.
262.
Niederlagen sind treuer als Siege.
Zu messen, heißt, per se, sich zu unter- oder überschätzen.
Defeats are more faithful than victories.
To measure means, per se, to underestimate or to overestimate oneself.
263.
Zu können und zu dürfen werden regelmäßig verwechselt, besonders von bereits Privilegierten.
Selbstbesinnung sei ein seltsamer Zustand, der sowohl alles richten als auch zugrunderichten kann - manchmal sogar im selben Augenblick.
To be able and to be allowed are regularly confused, especially by the already privileged.
Self-contemplation is a strange state that can both fix and wreck everything - sometimes even at the same moment.
264.
Das Überfällige wird oftmals als Überfall missverstanden.
Jede Angst wohnt in einem Geflecht mit anderen Ängsten.
The overdue is often misunderstood as a spontaneous assault.
Every fear lives in a mesh with other fears.
265.
Ich glaube nicht an den Glauben.
Das Leben ist der paradoxeste aller Zustände.
I do not believe in faith. / I do not have any faith in faith.
Life is the most paradoxical of all states.
266.
Überrascht zu werden, ist an sich gut, solange bis wir uns schlecht fühlen, weil wir merken, dass wir an die Überraschung hätten denken können, ja: denken müssen.
Jeder Rhythmus, der sich einfräst, verleitet auf Dauer zur Gedankenfaulheit.
Being surprised is good in itself, until we feel bad because we realize that we could have thought of the surprise, indeed ought to have thougt.
Any rhythm that becomes ingrained tempts us to thought-laziness in the long run.
267.
Jedes Erstaunen sei ein untrügliches Lebenszeichen.
Den richtigen Moment zu erwischen, ist sowohl eine Gabe als auch ein Glück.
Every astonishment is an unmistakable sign of being alive.
Catching the right moment is both a gift and a stroke of luck.
268.
Werbung ist das Spielfeld der Lüge.
Der Glaube erfindet sich regelmäßig selbst.
Wer mit der Unwahrheit ins Bett geht, wacht, mit Glück, verkatert, mit Unglück gar nicht mehr auf.
Advertisement is the playing field of lies.
Faith regularly invents itself.
269.
Geschlossene Grenzen symbolisieren, in aller Regel, zweierlei - sowohl Probleme nach außen als auch innen.
Hass hasst Widerspruch.
Closed borders symbolize, as a rule, two things - both external and internal problems.
Hate hates contradiction.
270.
Selbstvertrauen, das sich selbst unbedingt traut, gehört zur Arroganz.
Jedes Wissen, das ernstgenommen werden kann, weiß um die eigene Begrenzung.
Self-confidence, which absolutely trusts itself, belongs to arrogance.
Any knowledge that can be taken seriously knows about its own limitation.
271.
Ein wesentlicher Teil der Wahrheit bestehe aus der Beziehung zwischen zwei Menschen.
Natur lügt nicht.
An essential part of truth consists of the relationship between two people.
Nature does not lie.
272.
Wer sich die Zeit nimmt, tagsüber zu träumen, lebt vernünftig.
Albträume sind Gewitter im Hirn.
Those who take time to dream during the day live sensibly.
Nightmares are thunderstorms in the brain.
273.
Ich selbst zu sein, kann mir niemand abnehmen.
Wer sich an die Schattenseite klammert, sollte sich nicht unablässig über den Mangel an Licht beklagen.
No one can relieve me of being myself.
Those who cling to the shadow side should not complain incessantly about the lack of light.
274.
Sich selbst zu betrügen, ist das am weitesten verbreitete Verbrechen.
Ein Diebstahl bleibt niemals allein.
Deceiving oneself is the most widespread crime.
One theft never stands alone.
275.
Erste und letzte Bissen haben mehr Gemeinsamkeiten, als wir uns eingestehen.
Kapitalismus schätzt das Anonyme, das sich skalieren und einspannen lässt.
First and last bites have more in common than we admit.
Capitalism values the anonymous, which can be scaled and clamped.
276.
Einsamkeit kennt viele Sätze, die von einer Sache handeln.
Übermüdete Freundschaften sollten sich ausschlafen, weit voneinander getrennt.
Loneliness knows many sentences, which are about one thing.
Overtired friendships should have a good night's sleep, far apart from each other.
277.
Wer sich selbst unablässig in den Mittelpunkt stellt, verliert das Gefühl für Richtungswechsel.
Echte Reue sei die Treue zum Gutsein, nicht zu sich selbst.
Those who ceaselessly put themselves in the center lose the feeling for a change of direction.
Genuine remorse is faithfulness to good, not to oneself.
Macht ist niemals ein Zufall.
Power is never a coincidence.
278.
Logik existiert allein, um es der Unlogik zu zeigen.
Zu leben sei rationale Irrationalität schlechthin.
Logic exists alone to do justice to illogic.
To live is rational irrationality par excellence.
279.
Die Treue des Stillstands ist, oft genug, ein Verrat an der Bewegung.
Entfernungen sind, nicht zuletzt, Entscheidungen.
The loyalty of standstill is, often enough, a betrayal of movement.
Distances are, not least, decisions.
280. Selbst ein #Leben voller Siege endet mit einer Niederlage. Der #Tod ist kein Demokrat, obwohl er alle gleich macht.
280. Even a #life full of victories ends in defeat. #Death is not a democrat, although it makes everyone equal.
281. Der #Müdigkeit zu entkommen, erfordert reichlich Schlaf, leider. Jeder #Traum, der juckt, kratzt an der Wahrheit.
281. Escaping #tiredness requires plenty of sleep, unfortunately. Every #dream that itches scratches at the truth.
282. An den #Menschen ist nichts sui generis, rein gar nichts - außer dass sie es von sich glauben. Jede #Naturbeschreibung definiert zunächst und zuvörderst die Schreibenden.
282. There is nothing sui generis about #people, nothing at all - except that they believe this about themselves. Every description of #nature defines first and foremost the writers.
283. Wer für alles eine #Rechnung aufmacht, darf sich nicht wundern, wieviele Rechenschaftsberichte schlussendlich notwendig sind. Viele #Zahlen bedeuten viele Zweifel.
283. If you rack up a #bill for everything, you shouldn't be surprised at how many accountability reports are ultimately necessary. Many #numbers mean many doubts.
284. #Sprache und Musik sind die eigentlichen Enigmen. Der #Überraschungseffekt neuer Technik lässt, in aller Regel, rapide nach.
284. #Language and music are the genuine enigmas. The #surprise effect of new technology is, as a rule, rapidly diminishing.
285. #Liebe, die sich selbst enttäuscht, leidet am meisten; auch wenn sie es nicht wahrhaben will. #Neid ist ein interessanter Motor, der selten stottert.
285. #Love that disappoints itself suffers the most; even if it does not want to face it. #Envy is an interesting engine that rarely stutters.
286. Das #Mögliche wohnt im Jetzt, das Unmögliche in der Vergangenheit und in der Zukunft. Die #Chancenauswertung bestimmt das Ergebnis, zu oft.
286. The #possible resides in the now, the impossible in the past and in the future. The #evaluation of chances determines the result, too often.
287. Jede #Gier findet ihre Liebhaberïnnen. #Befriedigung sei per se ein ephemerer Zustand.
287. Every #greed finds its lovers. #Satisfaction is per se an ephemeral state.
288. #Treue definiert sich zunächst Innen, erst danach Außen; bei der #Reue ist es, in aller Regel, vice versa. #Gemütlichkeit stellt sich, beinahe generell, als fadenscheinige #Lüge heraus, deren kleinherzige #Grausamkeit nur auf den Ausbruch wartet.
288. #Faithfulness defines itself first inside, only afterwards outside; with #repentance it is, as a rule, vice versa. #Coziness turns out, almost generally, to be a flimsy #lie whose small-hearted #cruelty is just waiting to break out.
289. Den #Herbst, besonders seine Farben, gibt es nicht umsonst. #Zeit schert sich weder um Uhren noch Uhrmacherïnnen.
289. #Autumn, especially its colors, has its price. #Time cares for neither watches nor watchmakers.
290. Der eigene #Körper ist sowohl lebenslängliche Anstellung als auch lebenslängliche Vorstellung. Perfekte #Präsentationen existieren nicht.
290. One's own #body is both lifelong occupation and lifelong conception. Perfect #presentations do not exist.
291. #Geschenke, die anderen, die weder schenken noch beschenkt werden, Kosten bereiten, sind, im günstigsten Falle, zweifelhaft. #Teilhabe, die beglückt, sei das beste Präsent.
291. #Gifts, which come at cost to others, who neither give nor are given, are, in the best case, doubtful. #Participation, which makes happy, is the most favourable present.
292. Bei jedem #Mittelpunkt handelt es sich, allerhöchstens, um eine Annäherung. Egal, wie groß das #Zentrum ist, an den Seiten gibt es allzeit mehr Raum.
292. Every #middle point represents, at the very best, an approximation. No matter how big the #center is, there is always more space at the sides.
293. Wer zu sehr auf #Zustimmung hofft, gar auf sie fordernd pocht, erntet schließlich mehr Verstimmung als notwendig. Eine gute #Ablehnung sei, im Zweifelsfall, einer schlechten Annahme vorzuziehen.
293. Those who hope too much for #approval, even insist on it, ultimately reap more disapproval than necessary. In case of #doubt, a good rejection is preferable to a bad acceptance.
294. #Missgunst macht es nicht einmal sich selbst recht. #Anteilnahme, die von Gier infiziert ist, neigt sowohl zur Grausamkeit als auch zum Lügengewitter.
294. #Resentment does not even please itself. #Compassion infected by greed is prone to both cruelty and a storm of lies.
295. Kein #Bild sei der Treue verpflichtet, schon gar nicht das Abbild. Etliche #Rahmen stellen eigene Fragen, die sich 08/15-Antworten verweigern.
295. No #image is committed to fidelity, certainly not the effigy. Many #frames ask their own questions that refuse run-off-the-mill answers.
296. #Kurskorrekturen bieten sich durchaus an, bevor man gegen ein Hindernis prallte. Wer vom #Tod spricht, spricht vom Leben.
296. #Course corrections are a rather good idea before one would crash into an obstacle. Whoever speaks of #death speaks of life.
297. Jedes #Sein besitzt eine ihm eigene Entschlossenheit, die sich der Grenze zu anderen Entschlossenheiten bewusst ist. #Anhänglichkeit sei das Vorspiel der Liebe, nicht ihr Nachgeschmack.
297. Every #being has its own determination, which is aware of the border to other determinations. #Attachment is the prelude to love, not its aftertaste.
298. Jede #Klarheit trübt sich. Wer #alles sieht, sieht nichts.
298. Every #clarity clouds over. Who sees #everything, sees nothing.
299.
Das Verlorene kehrt niemals identisch zurück.
Wiederzufinden, heißt nicht, anzuknüpfen, sondern eine Entfernung wahrzunehmen.
That what is lost never returns identically.
To find again is not to connect, but to perceive a distance.
300.
Die Sicherheit, die uns bleibt, sei diejenige des Zu-Tode-Kommens - ob wir zu ihm kommen oder es zu uns, bleibt dabei zweitrangig.
Die Länge des heutigen Tages zu unterschätzen, ist ein Merkmal der allgegenwärtigen Morgen-Versessenheit.
The security which remains to us, is that of coming-to-death - whether we come to it or it to us remains secondary.
To underestimate the length of today is a characteristic of the omnipresent tomorrow obsession.
301.
Die Willkür, gibt man ihr eine Pseudo-Ordnung an die Hand, legt sich prompt Archive an, um ihre Legitimität zu beweisen.
Wer abheftet, locht.
When given a pseudo-system, arbitrariness promptly creates archives to prove its legitimacy.
Those who file, punch holes.
302.
Erkenntnis schätzt den Wechsel.
Wäre die Wahrheit ein Tier, das wir uns hielten, schwirrten etlche Eintagsfliegen um uns herum.
Cognition appreciates change.
If truth were an animal we kept, quite a few mayflies would buzz around us.
303.
Jede Lautstärke kennt Schwächen.
Überraschungen kennen nur eine Treue, die zu sich selbst.
Nichts liegt dem Menschen ferner als das Schweigen.
Surprises know only one loyalty, that to oneself.
Nothing is further from people than silence.
Anhänglichkeit braucht echte Freundschaft.
Besonders schmerzhafte Enttäuschungen, die uns zugefügt werden, nehmen wir besonders häufig auf die eigene Kappe.
Attachment needs real friendship.
We take, especially often, responsibility for particularly painful disappointments, that are inflicted on us.
304.
Der Lohn der Mühe versteckt sich häufig so gut, dass er auf immer verloren geht.
Echter Zuspruch kann nicht erzwungen werden.
The reward of an effort often hides so well that it is lost forever.
Genuine approval cannot be forced.
Die Vergänglichkeit sei kein Gefängnis, aber eine unverdiente Strafe.
Ephemerality is not a prison, but an undeserved punishment.
305.
Jede neue Falte grüßt mich, als würden wir uns Ewigkeiten kennen.
Das Sich-selbst-Fremdsein nimmt im Laufe des Älterwerdens seltsamerweise gleichzeitig sogar noch zu und kontinuierlich ab.
Every new wrinkle greets me as if we knew each other for ages.
Strangely enough, being alienated from oneself even increases and continuously decreases at the same time as one grows older.
306.
Jede Krise unterhält mit mehreren Lösungen Bekanntschaften, welche davon Gehör findet, entscheidet sich allerdings nicht in der überzeugendsten Schnittmenge.
Die Zunge von Vielrednerïnnen leiert, über kurz oder lang, leider ziemlich aus.
Every crisis entertains acquaintances with several solutions, but which one is heard is not decided in the most convincing intersection.
Unfortunately, the tongues of uber-frequent speakers sooner or later wear out.
307.
Besitz verändert den Charakter, selten zum Besseren.
Kein Vorteil ohne Nachteil.
Ownership changes character, rarely for the better.
No advantage without disadvantage.
308.
Wer das Gute in einer Sache findet, vermutet, nicht zu selten, dass in anderen Dingen das Böse hausen muss.
Blödsinn sei unsterblich.
Whoever finds the good in one thing, assumes, not too seldom, that evil must dwell in other matters.
Nonsense is immortal.
Hierarchien verstehen sich sofort, von mögen kann jedoch nicht die Rede sein.
Toleranz lebt schnell am Ufer der Überheblichkeit.
Hierarchies understand each other immediately, but there can be no talk of liking.
Tolerance quickly lives on the shore of arrogance.
309.
Schwäche sei das zuverlässigste aller Gefühle.
Jede Stärke ist auf ihre Weise stark, alle lügen sich jedoch in ein- und dieselbe Tasche.
Schnellligkeit liebt die Verhältnismäßigkeit, wenn wir sie gewähren lassen.
Weakness is the most reliable of all feelings.
Every strength is strong in its own way, but all of them are fooling themselves in one and the same way.
Speed loves proportionality, if we let it.
310.
Gelingt am Anfang alles, gelingt am Ende wenig.
Gerade Linien verknallen sich regelmäßig in Halluzinationen.
If everything succeeds at the beginning, little succeeds at the end.
Straight lines regularly fall head over heels for hallucinations.
311.
The #hunger for power represents greed par excellence, it is never satisfied. #Numbers have their own languages.
#Machthunger stellt die Gier par exellence dar, niemals ist er gestillt. #Nummern haben ihre eigenen Sprachen.
312.
The very #notion of being both sheep and shepherd*ess drastically relativizes the idea of the picture perfect idyll of romantic custody. #Myths serve power.
Allein die #Vorstellung, sowohl Schaf als auch Schäferïn zu sein, relativiert die Idee der picture perfect Idylle romantischer Obhut drastisch. #Mythen dienen Macht.
313.
#Serving and being served are questionable states. #Independence represents one of the most wonderful illusions.
#Dienen und bedient zu werden, sind fragwürdige Zustände. #Unabhängigkeit stellt eine der wunderbarsten Illusionen dar.
314.
Good #ideas have many lives, bad ideas many more. Hardly anything moves #people more than an elegant lie, except perhaps a brutal one.
Gute #Ideen haben viele, schlechte Ideen sehr viele Leben. Kaum etwas bewegt #Menschen mehr als eine elegante Lüge, außer wahrscheinlich eine brutale.
315.
#Money consistently refuses any friendship; it is only interested in itself at the end of the day.
Understanding #emptiness is sufficient as a goal in life.
#Geld verweigert konsequent jede Freundschaft, es ist, am Ende des Tages, allein an sich selbst interessiert.
#Leere zu verstehen, reicht als Lebensziel.
316.
#School knowledge is a canal with many floodgates, quite a few of which have been erected only to exclude leaving the waterway.
#Cultures without contradictions do not exist.
#Schulwissen ist ein Kanal mit vielen Schleusen, von denen etliche nur errichtet worden sind, um das Verlassen der Wasserbahn auszuschließen.
#Kulturen ohne Widersprüche existieren nicht.
317.
#Silence is both part of a search and a decision.
#Noise reaches us unasked.
·
#Ruhe sei sowohl Teil einer Suche als auch einer Entscheidung.
#Lärm erreicht uns ungefragt.
318.
No #story falls from the sky, not even sacred ones.
Any #sentence can make itself unpopular, this one included.
Keine #Geschichte fällt vom Himmel, auch nicht heilige.
Jeder #Satz kann sich unbeliebt machen, dieser eingeschlossen.
319.
#Zeit sei mein Genick, das mir irgendwann gebrochen wird.
#Allein die Sterblichkeit ist unsterblich.
Let #time be my neck, which will be broken at some point.
#Mortality alone is immortal.
320.
Zu #warten, heißt, man selbst zu sein.
#Ungeduld nimmt ständig neue Schulden auf.
To #wait is to be oneself.
#Impatience is constantly taking on new debt.
321.
Der #Raum zwischen dem Gesagten und dem Gedachten wird Beziehung genannt.
Im #Austausch mit Anderen zu stehen, heißt, sich der eigenen Ersetzbarkeit bewusst zu sein.
The #space between what is said and what is thought is called relationship.
To #be in exchange with others means to be aware of one's own replaceability.
322.
Keine #Überholspur geht endlos.
#Parkplätze tun nur so, als gehörten sie uns.
No #passing lane goes on endlessly.
#Parking lots only pretend to be ours.
323.
Das Unverdiente stellt sich, nicht zuletzt, oft als größtes Glück heraus.
Wer für alles bezahlen will, wird den Kern des Geschenks niemals begreifen.
The unearned and undeserved, at the end, often turns out to be the greatest happiness.
Those who want to pay for everything will never understand the essence of the gift.
324.
Wiederholungen garantieren Schönheit.
Das Böse braucht, fast immer, nur einen Anlauf.
Repetitions guarantee beauty.
Evil, almost always, needs only one run-up.
325.
Je älter die Antwort desto weiter entfernt sie sich von der ursprünglichen Frage.
Verzweiflung sucht oft, ist allerdings währenddessen außerordentlch eingeschränkt.
The older the answer, the further it is from the original question.
Desperation often searches, but is extraordinarily limited during the process.
326.
Jede Mühe, die auf Biegen und Brechen eine Belohnung erwartet, wird enttäuscht.
Was einfach gelingt, macht, nicht zu selten, später erhebliche Schwierigkeiten.
Any effort that expects a reward by hook or by crook will be disappointed.
What succeeds easily, not too seldom causes considerable difficulties later.
327.
Falsche Abenteuer blähen sich in der Erzählung auf, echte entfalten sich.
Wahrheit und Lüge eint, dass sie niemanden treu sind, außer sich selbst.
Being narrated, false adventures inflate, real ones unfold.
Truth and lies are united by the fact that they are faithful to no one but themselves.
328.
Dient Geld als ultimativer Wertmaßstab, wird das Dasein zur Aktie, die mal den Bullen, mal den Bären ausgeliefert ist.
Nichts bleibt; selbst Erzählungen wechseln Worte.
If money serves as the ultimate measure of value, existence becomes a stock, sometimes at the mercy of the bulls, sometimes at the mercy of the bears.
Nothing remains; even stories change words.
329.
Musik stellt sich selbst erheblich weniger Fragen als wir ihr.
Stille sei entweder gedehnte oder gestauchte Lautstärke.
In jedem Lied klingt Verschwundenes an.
Zu singen, heißt, für eine begrenzte Dauer deutlich mehr als man selbst zu sein.
Music asks itself notably fewer questions than we ask it.
Silence is either stretched or compressed volume.
What has vanished resonates in every song.
To sing means to be significantly more than oneself for a limited duration.
330.
Mengen begrenzen sich selbst; per se sind sie unendlich.
Wird ein Ende als Anfang empfunden, existiert der Schlusspunkt nicht als unabhängiger Moment.
Sets limit themselves; per se they are infinite.
If an end is perceived as a beginning, the final point does not exist as an independent moment.
331.
Schlaf bleibt ein Rätsel, dessen Antwort weder die Müdigkeit noch die Regeneration ist.
Träume verlangen wenig, es sei denn, wir wachen auf.
Sleep remains a mystery whose answer is neither tiredness nor regeneration.
Dreams demand little unless we wake up.
332.
Wenig wissen wir sicher - dass das Morgen nicht existiert, gehört dazu.
Zu warten, lohnt sich selten; es sei denn aus Höflichkeit oder Liebe.
We know little for certain - that tomorrow does not exist is one of these certitudes.
Waiting is rarely worth it; unless it is out of courtesy or love.
333.
Das Nicht-mehr-Sein ist gleichzeitig ein fragwürdiger und fragloser Zustand.
Wäre das Sterben nicht, verschöbe sich das Verhältnis vom Leben zum Tod erheblich.
The not-being-anymore is at the same time a questionable and unquestionable state.
If dying were not, the relationship of life to death would shift considerably.
334.
Das Ich ist, das Wir wird gemacht.
Allein kein Ich.
The I is, the we shall be made.
Alone no I.
335.
Jeder Wert trifft irgendwann seinen Maßstab.
Gerechtigkeit ermöglicht viel, Eigenhilfe ist eher selten darunter.
Every value hits its benchmark at some point.
Justice enables a lot, self-help is rather rarely among it.
336.
Wenig ist uns näher als die Vergangenheit, jedenfalls die, der wir treu sind.
Erinnerung nimmt am liebsten enge Kurven, schwer einsehbare.
Little is closer to us than the past, at least the one to which we are loyal.
Memory prefers to take very tight turns, hard to see.
337.
Jede Kenntnis ist sowohl zeit- als auch raumgebunden.
Wer das Verlernen nicht lernt, fällt aus der Gegenwart.
Every knowledge is bound to time as well as space.
Those who do not learn to unlearn fall out of the present.
338.
Das #Böse im Leben ist wie Schmutz unter den Fingernägeln, es taucht immer wieder auf.
#Schwäche sei das zuverlässigste aller Gefühle.
#Evil in life is like dirt under fingernails, it always appears.
#Weakness is the most reliable of all feelings.
339.
Wer das #Gute in einer Sache findet, vermutet, nicht zu selten, dass in anderen Dingen das Böse hausen muss.
#Blödsinn sei unsterblich.
Whoever finds the #good in one thing, assumes, not too seldom, that evil must dwell in other matters.
#Nonsense is immortal.
340.
Positionen sind moralische Liegenschaften, die Pflichten beinhalten.
Absolute Flexibilität landet, bei Gelegenheit, nicht nur am Rande des Guten, sondern schießt weit darüber hinaus und findet dann selten unbeschadet zurück.
Positions are moral properties that involve duties.
Absolute flexibility, on occasion, not only lands on the edge of the good, but shoots far beyond it and then rarely finds its way back unscathed.
341.
Leistungen, die im Moment besonders hell, beinahe grell glänzen, entwickeln, im Laufe der Zeit, eine eigenartig matte Patina, die, über kurz oder lang, unsichtbar zu sein scheint.
Echte Wirkung sei zeitlos.
Achievements that at the moment shine particularly brightly, almost garishly, develop, over time, a peculiar opaque patina, which, sooner or later, seems to be invisible.
Genuine impact is timeless.
342.
Schuld befreit nicht.
Handlungen entziehen sich der Wertneutralität.
Guilt does not liberate.
Actions elude value neutrality.
343.
Im Körper wohnen Krankheit und Gesundheit zusammen; wer Untermiete zahlt, wird ständig ausverhandelt.
Der Stärke ist die Schwäche zunächst einerlei, das ändert sich im Laufe der Zeit, wird gar zur Obsession.
Sickness and health live together in the body; who pays sub-rent is constantly negotiated.
Strength is initially indifferent to weakness, this changes in the course of time, even becomes an obsession.
344.
Ruhe ist so selten, dass wir sie fast immer für eine Lärmstörung halten.
Wahre Stille hat einen Preis, einen zu hohen.
Silence is so rare that we almost always think of it as a noise disturbance.
True tranquility has a price; too high.
345.
Bewältigung sei ein kapitalistischer Zustand, kein ethischer.
Vergangenheit spricht viele Sprachen.
Coming to terms with is a capitalist condition, not an ethical one.
The past speaks many languages.
346.
An der Küste fühlt sich das Meer höchstens zu Besuch.
Gezeiten sind mondsüchtig.
On the coast, the sea feels at most a visitor.
Tides are addicted to the moon.
347.
Denken und Sprechen benötigen sowohl Kreuzungen als auch Haltebuchten.
Parkplätze werden als ontologische Orte permanent unterschätzt.
Thinking and speaking require both intersections and stopping places.
Parking lots are permanently underestimated as ontological locations.
348.
Gemeinsamkeiten nutzen sich im Laufe der Zeit ab, verschwinden gar, wenn wir uns um sie nicht regelmäßig kümmern.
Selbstüberschätzung ist im Kapitalismus so weit verbreitet, dass sie kaum noch wahrgenommen wird.
Shared values wear out over time, even disappear, if we don't take care of them on a regular basis.
Overconfidence is so widespread in capitalism that it is hardly noticed anymore.
349.
Leidenschaft kennt Gezeiten.
Wer sich treu bleibt, auf Gedeih und Verderb, wird dem Leben untreu.
Passion knows tides.
Those who remain true to themselves, for better or worse, become unfaithful to life.
350.
Keine echte Liebe gehört sich nur selbst.
Zu unterscheiden, ist der Ausgangspunkt des Ichs.
No true love belongs only to oneself.
To distinguish is the starting point of the self.
351.
Harmonie ernährt sich vom Streit.
Klugheit hat mehr mit der Dummheit gemeinsam als vice versa.
Harmony feeds on controversy.
Cleverness has more in common with stupidity than vice versa.
352.
Zugehörigkeit ist erst ein Zwang, dann eine Entscheidung.
Freiheit, ernst genommen, kennt keine Rücktrittsversicherung.
Belonging is first a coercion, then a decision.
Freedom, taken seriously, knows no cancellation insurance.
353.
Zu können, heißt, weder zu dürfen noch zu müssen.
Privilegien spielen sehr, sehr schlecht Verstecken.
To be able means neither to be allowed nor to have to.
Privilege plays hide and seek very, very badly.
354.
Lohn sei per se ungerecht.
Entschädigungen lindern, aber machen nichts, rein gar nichts wieder gut.
Wages are per se unjust.
Compensation mitigates, but makes up for nothing, absolutely nothing.
355.
Die Überhöhung kreiert reihenweise Tiefpunkte.
Zufriedenheit ist eine Spur, die sich regelmäßig verliert.
The exaltation creates rows and rows of lows.
Satisfaction is a trace that regularly gets lost.
356.
Kraft kennt Stadien - von Freundschaft kann, jedenfalls im Alter, nicht die Rede sein.
Wer auf Dauer wachsam sein möchte, gewährt der Müdigkeit genügend Raum.
Strength cultivates acquaintance with stages - there can be no talk of friendship, at least in old age.
Whoever wants to be alert in the long run grants tiredness enough space.
357.
Intuition besitzt mehr emotionale als intellektuelle Ressourcen.
Vertrauen wirkt am besten, wenn wir es uns erarbeiten; zugeflogene Zuversicht startet, in aller Regel, rasant erneut durch.
Intuition has more emotional than intellectual resources.
Confidence is most effective when we work for it; trust that has flown in usually takes off again quickly.
358.
Selbstvertrauen hat einen fundamentalen Nachteil - es vertraut sich selbst.
Niemand lebt Dein Leben für Dich.
Self-trust has one fundamental drawback - it trusts itself.
Nobody lives your life for you.
359.
Geld kennt eine einzige Treue, die zu sich selbst.
Sparsamkeit überschätzt, beinahe grundsätzlich, die ihr eigene Ethik.
Money knows only one loyalty, that to itself.
Frugality overestimates, almost fundamentally, its own ethics.
360.
Vergangenheit und Zukunft teilen sich einen Zustand, den Tod.
Gegenwart sei Leben.
Past and future share one state, death.
Let the present be life.
361.
Sprache schließt Einsamkeit auf.
Sätze sind Leuchttürme.
Language unlocks loneliness.
Sentences are lighthouses.
362.
Das Unangenehme wird nicht angenehmer, wenn ich es dauerhaft ignoriere.
Wahrheit existiert - sowohl im Subjektiven als auch im Objektiven.
The unpleasant does not become more pleasant if I permanently ignore it.
Truth exists - both in the subjective and the objective.
363
Loyalität sei ein Zustand ohne Vollkommenheit, er wird entweder über- oder unterbewertet.
Lagerpolitik schafft genau das - die Trennung in Lager.
Loyalty is a condition without perfection; it's either over- or undervalued.
Camp politics creates just that - the division into camps.
364.
Abstand besitzt die Tendenz, zur Entfernung zu werden, zu unüberbrückbaren.
Bislang gibt es keine nachhaltige Zivilisation; alles staatlich Erreichte fußt seit jeher mehrheitlich auf Zerstörung.
Gaps have the tendency to become distances, irreconcilable ones.
So far, there is no sustainable civilization; everything achieved by a state has always been based mostly on destruction.
365.
Wären Gewissheiten, die auf ihrer Unveränderlichkeit beharren, Tiere, lebten sie als Eintagsfliegen.
Nichts, was gesagt wird, könnte nicht auch anders gesagt werden, beinahe nichts.
If certainties, which insist on their immutability, were animals, they would live as mayflies.
Nothing that is said could not be said differently, almost nothing.